Rz. 12
Ein Steuererstattungsanspruch i.S.d. § 383 AO i.V.m. § 46 Abs. 4 Satz 1 AO ist gegeben, wenn eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO) oder der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO). Der Erstattungsanspruch ist mithin der umgekehrte Leistungsanspruch, wenn bspw. Steuern doppelt oder nach einer Änderung der Steuerfestsetzung (vgl. §§ 172 ff. AO) zu viel gezahlt wurden. Erstattungsberechtigter ist nach dem Gesetzeswortlaut der Steuerpflichtige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Die Vorschrift ist missverständlich formuliert: Gemeint ist, dass die Erstattungsberechtigung demjenigen zugutekommt, für dessen Rechnung die Zahlung geleistet worden ist. Abzustellen ist darauf, wessen vermeintliche Schuld getilgt werden sollte. Der Grundsatz, dass materiell ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen wieder auszugleichen sind, wird formell durch die Bestandskraft bzw. Änderbarkeit der Steuerbescheide (vgl. §§ 155, 170 ff. AO), die Grundlage für die formelle Verpflichtung aus dem Steuerschuldverhältnis sind (§ 218 Abs. 1 AO), begrenzt.
Rz. 13
Erstattungsansprüche entstehen im Zeitpunkt der Erfüllung des nicht bestehenden Steueranspruchs, d.h. mit Zahlung des nicht geschuldeten Betrags. Bei Überbezahlung von Steuervorauszahlungen (vgl. § 36 Abs. 1, 4 Satz 2 EStG, § 20 Abs. 3 GewStG) ist abzustellen auf den Ablauf des Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums, soweit die Überbezahlung später erfolgt, erst auf diesen Zeitpunkt. Insbesondere der Anspruch auf Lohnsteuererstattung entsteht mit Ablauf des Veranlagungszeitraums und nicht erst nach Festsetzung der Jahressteuer. Der (Jahres-)Steuerbescheid bildet allerdings insoweit einen neuen Rechtsgrund für die gezahlten Steuerbeträge, der die Erstattung gem. § 37 Abs. 2 AO ausschließt.
Rz. 14
Neben der allgemeinen Vorschrift des § 37 Abs. 2 AO regeln die Einzelsteuergesetze den Rechtsgrund und die Entstehung der Erstattungsansprüche (vgl. §§ 37, 38 AO) und bestimmen, wer Steuerschuldner ist. Für die darin geregelten Steuererstattungsansprüche ist kennzeichnend, dass der Erstattungsanspruch aus einem zu dem die Steuerfestsetzung begründenden Tatbestand hinzutretenden nachträglichen besonderen Sachverhalt erwächst, der weder die Rechtmäßigkeit der bisherigen Steuerfestsetzung noch den auf dieser Grundlage verwirklichten Steuerzahlungsanspruch (vgl. § 218 Abs. 1 AO) infrage stellt.
Rz. 15
Es bestehen vor allem folgende Erstattungsansprüche (vgl. zu den aktuellen Fassungen und Fundstellen der nachfolgend aufgeführten Verbrauchsteuergesetze und der dazu erlassenen Verbrauchsteuerverordnungen auch den in § 381 Rz. 45 f. aufgeführten Normenkatalog mit Verweisungen auf § 381 AO):
- Biersteuer für Lieferungen in andere Mitgliedstaaten und bei Rückbringung ins Steuerlager (§ 24 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BierStG i.V.m. §§ 42, 43 BierStV);
- Einfuhrumsatzsteuer (§ 14 EUStBV i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG, Art. 116 ff. UZK) für die Erstattung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben;
- Energielieferungen (§ 8 Abs. 4a, §§ 9a, 10 StromStG);
- §§ 45–60 EnergieStG;
- Kapitalertragsteuer (§§ 44b, 45 EStG);
- Kaffeesteuer bei Rücknahme in ein Steuerlager (§ 21 KaffeeStG i.V.m. §§ 31, 32 KaffeeStV);
- Kraftfahrzeugsteuer bei Beförderungen von Fahrzeugen mit der Eisenbahn (§ 4 KraftStG);
- überbezahlte Lohnsteuer, die vom Arbeitnehmer ggf. im Wege einer sog. Antragsveranlagung (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) geltend gemacht werden muss;
- Schaumweinsteuer bei Verbringen in andere Mitgliedstaaten oder zurück ins Steuerlager (§§ 24, 25 SchaumwZwStG i.V.m. § 39, 40 SchaumwZwStV);
- Tabaksteuer bei Aufnahme in ein Steuerlager, Verbringen in einen anderen Mitgliedstaat, bei Vernichtung oder Vergällung unter Steueraufsicht (§ 32 TabStG i.V.m. § 48 TabStV);
- Umsatzsteuer bzgl. der zum amtlichen Gebrauch erworbenen Gegenstände oder bezogenen Leistungen an ausländische ständige diplomatische Missionen und berufskonsularische Vertretungen sowie ihre ausländischen Mitglieder (§ 1 UStErstVO);
- Versicherungssteuer bzgl. zurückgezahlter oder herabgesetzter ("unverdienter") Versicherungsentgelte (§ 9 VersStG 2021).