Rz. 34

[Autor/Stand] Bei mehrfachem Erwerb von Steuererstattungs- und Vergütungsansprüchen gem. § 383 AO sind jeweils mehrere rechtlich selbständige Taten gegeben, die zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 20 OWiG) stehen. Das Tatbestandsmerkmal der "Geschäftsmäßigkeit" ist nicht dazu geeignet, die verschiedenen Einzeltaten zu einer rechtlichen Handlungseinheit (sog. Kollektivdelikt) zu verschmelzen (zur entsprechenden Rechtslage bei "gewerbsmäßigem" Schmuggel s. § 373 Rz. 155). Vielmehr ist jede einzelne Tat aus sich heraus zu beurteilen und für jede gesondert eine Geldbuße festzusetzen. Auch eine Verknüpfung der einzelnen Verstöße zu einer fortgesetzten Tat ist nach den tragenden Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats des BGH[2] zur fortgesetzten Tat ausgeschlossen.

 

Rz. 35

[Autor/Stand] Tateinheit kann bestehen mit einem zum Nachteil des Abtretenden begangenen Betrug (§ 263 StGB); in einem solchen Fall wird nur wegen Betruges bestraft (§ 21 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 377 Abs. 2 AO). Meldet der Erwerber in der Folge die unbefugt erwirtschafteten Gewinne durch die in Empfangnahme der Abtretung nicht an, so steht die dadurch verwirkte Steuerhinterziehung (§ 370 AO) zu dem Bußgeldtatbestand des § 383 AO im Verhältnis der Tatmehrheit[4] (s. auch § 377 Rz. 149 a.E.).

 

Rz. 36

[Autor/Stand] Tateinheitliches Zusammentreffen (§ 19 OWiG) ist darüber hinaus möglich mit sonstigen Bußgeldvorschriften, insbesondere mit den Bußgeldtatbeständen des Steuerberatungsgesetzes, wie z.B. mit einer unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen nach § 160 StBerG,[6] mit der unbefugten Verwendung einer Berufsbezeichnung i.S.d. § 161 StBerG sowie mit einer unzulässigen wirtschaftlichen Betätigung nach § 163 StBerG[7] (s. dazu § 377 Rz. 236). In diesen Fällen bestimmt sich die Geldbuße nach § 383 Abs. 2 AO, der gegenüber den Bußgeldtatbeständen des StBerG die höhere Geldbuße androht (§ 19 Abs. 2 OWiG i.V.m. § 377 Abs. 2 AO). Tatmehrheit (§ 20 OWiG) kann gegeben sein mit einem Verstoß gegen das Werbeverbot des § 8 Abs. 2 StBerG, das nach § 160 Abs. 1 Nr. 2 StBerG unter Buße gestellt ist.[8]

Tateinheit (§ 19 OWiG) kommt in Betracht bei der Geltendmachung der Rechte aus dem abgetretenen Anspruch und bei dessen Einziehung oder Verwertung zwischen § 383 AO und der geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 RDG[9] (s. Rz. 30).

[Autor/Stand] Autor: Talaska, Stand: 01.05.2024
[2] BGH v. 3.5.1994 – GSSt 2/93, GSSt 3/93, NJW 1994, 1663 = wistra 1994, 185 = WuW 1994, 673.
[Autor/Stand] Autor: Talaska, Stand: 01.05.2024
[4] Bülte in HHSp., § 383 AO Rz. 60.
[Autor/Stand] Autor: Talaska, Stand: 01.05.2024
[6] Zur Mitwirkung von Lohnsteuerhilfevereinen an der Vorfinanzierung von Lohnsteuererstattungsansprüchen vgl. aber BGH v. 26.11.1992 – I ZR 261/90, HFR 1993, 728 = DB 1993, 1236.
[7] Vgl. aber zur erlaubten Tätigkeit BGH v. 26.11.1992 – I ZR 261/90, HFR 1993, 728 = DB 1993, 1236.
[8] Zur erlaubten Werbung nach der früheren WerbeVOStBerG, BGBl. I 1993, 1413, durch Lohnsteuerhilfevereine vgl. Halaczinsky, NWB Fach 30, 903.
[9] Ebner in JJR9, § 383 AO Rz. 19; vgl. in diesem Zusammenhang OLG Düsseldorf v. 2.4.1981 – 2 U 67/80, ZIP 1982, 303.

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