Die international tätige US-Anwaltskanzlei Jones Day war im Zuge des Diesel-Skandals durch die Volkswagen AG mit der Beratung, Aufklärung und Vertretung gegenüber den US-amerikanischen Justizbehörden beauftragt und hatte im Zuge dessen auch interne Untersuchungen bei der VW-Tochter Audi AG durchgeführt. Das AG München hat die Durchsuchung der Geschäftsräume der Kanzlei angeordnet. Die von der Volkswagen AG, der Kanzlei sowie drei Anwälten der Kanzlei erhobenen Verfassungsbeschwerden, die sich jeweils auf die Durchsuchungsanordnung sowie auf die Bestätigung der Sicherstellung bezogen, wurden vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen.
Nachdem Jones Day mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Auswertung der sichergestellten Unterlagen und Daten noch bei der 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG Erfolg gehabt hatte, waren die Beschwerden in der Hauptsache erfolglos. Damit konnten die Ermittler umfangreiche interne Unterlagen auswerten, die in der Münchner Anwaltskanzlei sichergestellt wurden.
Die Verfassungsbeschwerde der VW-AG gegen den Durchsuchungsbeschluss war bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Das BVerfG verneinte zunächst eine Grundrechtsbeeinträchtigung der Volkswagen AG. Die VW-AG sei von dem mit der Durchsuchung verbundenen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 13 GG nicht unmittelbar betroffen, weil nicht ihre Geschäftsräume, sondern die Kanzleiräume ihrer Rechtsanwälte durchsucht wurden. Durch die Sicherstellung der Daten sei der Autokonzern zwar tatsächlich in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen; eine mögliche Verwendung der internen Daten für weitere Ermittlungen könne den Konzern in seiner wirtschaftlichen Betätigung gefährden. Dieser Grundrechtseingriff sei aber gerechtfertigt durch §§ 102 ff., 110 StPO.
Das BVerfG nahm sodann ausgiebig zum Spannungsverhältnis der Schutzvorschriften des § 160a Abs. 1 StPO und § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO Stellung.
Die Kammer hat die Annahme des LG München II, dass – im Einklang mit der "herrschenden Meinung" – § 97 StPO die Regelung des § 160a Abs. 1 StPO im Bereich der Beschlagnahme grundsätzlich als Spezialregelung verdränge, verfassungsrechtlich nicht beanstandet (Beschluss Rz. 74 m.w.N.). Aus dem Vorrang des § 97 StPO folge, dass § 160a Abs. 1 Satz 1 StPO der Durchführung von Durchsuchungen bei Rechtsanwälten nicht entgegenstehe, soweit diese auf nach § 97 StPO zulässige Beschlagnahmen abzielen. Eine andere Auslegung des § 160a Abs. 1 Satz 1 StPO sei methodisch unzulässig, weil sie die nach § 97 StPO gestatteten Möglichkeiten der Beweisgewinnung, die nach § 160a Abs. 5 StPO "unberührt" bleiben sollten, de facto unmöglich machen (Beschluss Rz. 76). Eine Ausdehnung des absoluten Beweiserhebungs- und verwendungsverbotes des § 160a Abs. 1 StPO auch auf den Bereich der Durchsuchungen einschließlich der vorläufigen Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht und auf Beschlagnahmen von Mandantenunterlagen eines Rechtsanwalts, der nicht (hier: Unternehmens-)Verteidiger ist, sei von Verfassungs wegen nicht geboten. Dies beschränke die verfassungsrechtlich gebotene Effektivität der Strafverfolgung in erheblichem Maße (Beschluss Rz. 78).
Auch die Auslegung der Fachgerichte, § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO beziehe sich nur auf Gegenstände aus einem Verteidigungsverhältnis und ein solches habe mangels Beschuldigtenstellung der VW-AG nicht vorgelegen, sei nicht zu beanstanden (Beschluss Rz. 79 ff.). Dem vorliegenden Fall habe eben kein (schützenswertes) Verhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem zugrunde gelegen. Eine Ausdehnung des Schutzbereichs dieser Normen auch auf sonstige anwaltliche Tätigkeiten (= Internal Investigations) sei nicht geboten. (Beschluss Rz. 78). Dasselbe gelte im Rahmen des § 110 StPO.
Dass § 97 Abs. 1 StPO bei Beschlagnahmen außerhalb des Berufsgeheimnisträger-Beschuldigten-Verhältnisses dem Strafverfolgungsinteresse Vorrang vor dem Geheimhaltungsinteresse des Mandanten einräumt, sei verfassungsrechtlich danach nicht zu beanstanden (Beschluss Rz. 90).
Es bestünde nämlich ein hohes Missbrauchspotential, sollte sich der Beschlagnahmeschutz auf sämtliche Mandatsverhältnisse unabhängig von einer Beschuldigtenstellung des Mandanten erstrecken. Beweismittel könnten gezielt in die Sphäre des Rechtsanwalts verlagert oder nur selektiv herausgegeben werden; auch der gutgläubige Rechtsanwalt könnte als "Safehouse" für Spuren noch nicht entdeckter Straftaten genutzt werden. Insbesondere große Unternehmen könnten ein vielfältiges Interesse daran haben, bestimmte Unterlagen im Wege von internen Ermittlungen...