Rz. 966

[Autor/Stand] Nach überwiegender Rspr. und Teilen der Literatur sind die dem Steuerberater überlassenen Geschäfts- und Buchführungsunterlagen grds. beschlagnahmefähig[2].

 

Rz. 967

[Autor/Stand] Dieser Auffassung zufolge handelt es sich bei den Buchführungsunterlagen nicht um Gegenstände i.S.d. § 97 Abs. 1 Nr. 1–3 StPO. Die Begründungen hierfür sind unterschiedlich.

 

Rz. 967.1

[Autor/Stand] Aus dem Sinnzusammenhang der in § 97 Abs. 1 StPO aufgezählten Gegenstände ergebe sich, dass beschlagnahmefrei nur diejenigen sein sollen, die innerhalb des Vertrauensverhältnisses zwischen dem steuerlichen Berater und seinem Mandanten entstanden sind (sog. Handakten)[5]. Dies treffe aber auf die zumeist vom Mandanten selbst zusammengestellten Buchführungsunterlagen nicht zu.

 

Rz. 967.2

[Autor/Stand] Die Buchführung betreffe auch ihrem Aussagegehalt nach nicht das Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Auftraggeber. Zur Buchführung, d.h. dem reinen geschäftsmäßigen Kontieren von Geschäftsvorfällen, sei nach den Handels- und Steuergesetzen (§§ 238 ff., 257 ff. HGB, §§ 140 ff. AO) der Kaufmann verpflichtet.

Beauftrage er damit seinen Steuerberater, so stelle dessen Dienstleistung keine originär steuerberatende Tätigkeit dar, die von dem durch § 53 Abs. 1 Nr. 3, § 97 StPO bezweckten Vertrauensschutz umfasst sei[7]. Die Buchführung könne allenfalls Grundlage der eigentlichen Beratung, nicht aber Bestandteil des Steuerberatungsverhältnisses sein[8]. Nur soweit die überlassenen Unterlagen zum Zwecke der Beratung in Steuerangelegenheiten übergeben wurden, seien sie vor Beschlagnahme geschützt[9].

 

Rz. 967.3

[Autor/Stand] Bei Buchführungsunterlagen handele es sich vielmehr um allgemeine Geschäftsunterlagen, für welche ein Steuerpflichtiger zur Aufbewahrung gem. § 146 Abs. 2 Satz 1 AO verpflichtet sei[11]. Diese Aufbewahrungspflicht wäre inhaltlich hinfällig, wenn ein Steuerpflichtiger durch das Verbringen der Unterlagen zu seinem Steuerberater ein Beschlagnahmeverbot herbeiführen könnte. Der Steuerpflichtige und damit auch potentielle Steuerstraftäter könnten sich dann hinsichtlich sämtlicher Unterlagen aus ihrem Geschäftsbetrieb einen sog. "sicheren Hafen" verschaffen.

 

Rz. 968

[Autor/Stand] Weiterhin wird diese erstgenannte Auffassung damit begründet, dass die Buchhaltungsunterlagen nicht im Alleingewahrsam des steuerlichen Beraters stünden und daher beschlagnahmt werden könnten[13]. Der Steuerberater habe nicht die alleinige Verfügungsbefugnis über die Unterlagen, die ihm nur vorübergehend vom Mandanten überlassen wurden und zu deren Rückgabe er verpflichtet sei. Der Mitgewahrsam des Beschuldigten lasse daher die Beschlagnahmefreiheit entfallen[14]. Das Zeugnisverweigerungsrecht des Berufsgeheimnisträgers dürfe nicht zugunsten des Beschuldigten ausgeweitet werden.

Des Weiteren wird zur Begründung der Beschlagnahmefähigkeit angeführt, bei den Unterlagen handele es sich um Tatwerkzeuge i.S.d. § 97 Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 StPO.

 

Rz. 969

[Autor/Stand] Teils wird auch vertreten, die Steufa könne mit abgabenrechtlichen Mitteln die Herausgabe der Mandantenunterlagen erzwingen[16]. Zwar enthalte § 104 Abs. 1 AO ein dem § 97 Abs. 1 StPO entsprechendes Weigerungsrecht für den Berufsgeheimnisträger, jedoch müssten in Einschränkung dessen gem. § 104 Abs. 2 AO Unterlagen herausgegeben werden, die für einen Beteiligten des Besteuerungsverhältnisses aufbewahrt werden; hierzu zählten auch die Geschäftsbücher und Aufzeichnungen der Beteiligten. Eine analoge Anwendung des § 104 Abs. 2 AO rechtfertige dann auch die Durchsuchung und die Beschlagnahme der Unterlagen bzw. die Anwendung von Zwangsmitteln gem. §§ 328 ff. AO[17].

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2020
[2] Für die Rspr.: LG Braunschweig v. 13.6.1978 – 36 Qs 67/78, NJW 1978, 2108; OLG Hamburg v. 8.1.1981 – 1 Ws 7/81 u.a., MDR 1981, 603; LG Aachen v. 16.3.1981 – 15 Qs 9/81, MDR 1981, 603; LG Saarbrücken v. 6.4.1984 – 5 Qs 49/83, wistra 1984, 200; LG München v. 3.8.1984 – 27 Qs 8/84, wistra 1985, 41; LG München v. 22.4.1988 – 19 Qs 3/88, wistra 1988, 326 = NJW 1989, 536; LG Stuttgart v. 5.8.1983 – 10 Qs 96/83, wistra 1985, 41; OLG Stuttgart v. 14.9.1987 – 10 Qs 53/87, wistra 1988, 40; OLG Stuttgart v. 4.4.1990 – 14 Qs 53/90, wistra 1990, 282; LG Hildesheim v. 21.4.1988 – 22 Qs 1/88, wistra 1988, 327; LG Darmstadt v. 18.3.1988 – 9 Qs 1188/87, NJW 1988, 1862 = NStZ 1988, 286; LG Chemnitz v. 20.9.2000 – 4 Qs 8/00, wistra 2000, 474; für die Lit.: Birmanns, MDR 1981, 102; einschr. Gülzow, NJW 1981, 265; Brenner, BB 1984, 137; Mössmer/Moosburger, wistra 2006, 211; Kemper in Rolletschke/Kemper, § 399 AO Rz. 106, 108 f.; Moosburger, wistra 1989, 252; Schwarz, wistra 2017, 4 (6).
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2020
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2020
[5] LG Halle v. 7.6.2017 – 2 Qs 1/2017, 2 Qs 2/2017, ZInsO 2017, 2178; LG Berlin v. 20.7.2000, 519 Qs 216/2000; LG Chemnitz v. 20.9.2000 – 4 Qs 8/00, wistra 2000, 474; LG München v. 3.8.1984 – 2...

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