Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 586
Wie die Praxis zeigt, sind viele Vergehen auf steuerstrafrechtlichem Gebiet so geartet, dass ihre Ahndung im Wege des Strafbefehlsverfahrens erfolgen kann (s. dazu auch Nr. 84–88 AStBV (St) 2020, s. AStBV Rz. 84 ff.). Im Hinblick auf die überragende Bedeutung, die der Strafbefehl im steuerstrafrechtlichen Alltag spielt, wird das Strafbefehlsverfahren in der Kommentierung zu § 400 AO ausführlich dargestellt. Hier genügen die folgenden allgemeinen Hinweise:
Rz. 587
Die StA kann einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls stellen, wenn die Voraussetzungen des § 407 Abs. 1 StPO vorliegen. Gemäß § 400 AO steht auch den FinB eine solche Befugnis zu, "wenn die Strafsache zur Behandlung im Strafbefehlsverfahren geeignet erscheint".
Rz. 588
Gemäß § 400 Satz 1 AO beantragt die BuStra beim zuständigen AG den Erlass eines Strafbefehls, wenn die Ermittlungen genügend Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten und die Strafsache zur Behandlung im Strafbefehlsverfahren geeignet erscheint. "Genügend Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage" ist gleichbedeutend mit dem hinreichenden Tatverdacht i.S.d. § 203 StPO, der bekanntlich dann vorliegt, wenn eine Verurteilung des Beschuldigten mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. "Zur Behandlung im Strafbefehlsverfahren geeignet" sind unter Berücksichtigung des § 407 Abs. 1 und 2 StPO alle Steuerstraftaten (vgl. § 369 AO), soweit die in § 407 Abs. 2 StPO aufgeführten Rechtsfolgen, insb. die Festsetzung einer Geldstrafe, beantragt werden (zur möglichen Verhängung eines Fahrverbotes auch bei nicht verkehrsbezogenen [Steuer-]Straftaten vgl. nun § 44 StGB i.d.F. vom 24.8.2017 sowie Nr. 90 Abs. 2 AStBV (St) 2020, s. AStBV Rz. 90). Nach § 407 Abs. 2 Satz 2 StPO ist überdies auch die Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr gegen einen verteidigten Beschuldigten durch Strafbefehl möglich, wenn sie zur Bewährung ausgesetzt wird. Daraus wird ersichtlich, dass der überwiegende Teil der Ermittlungsverfahren im Steuerstrafprozess durch den Strafbefehlsantrag der FinB abgeschlossen werden kann, soweit eine gerichtliche Sanktion verhängt werden soll.
Rz. 589
Eine Erledigung durch Strafbefehl ist nach Ansicht der Ermittlungsbehörden nicht geboten oder zulässig, wenn ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 AO) vorliegt oder eine Hauptverhandlung zur Aufklärung aller Nebenumstände oder aus sonstigen Gründen zweckmäßig erscheint (Nr. 84 Abs. 3 Satz 2 AStBV (St) 2020, s. AStBV Rz. 84; Nr. 175 Abs. 3 RiStBV). Ein zu erwartender Einspruch steht dagegen nicht einem Strafbefehlsantrag entgegen.