Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 974
Der zuletzt genannten Auffassung ist zu folgen, da die für eine (eingeschränkte) Beschlagnahmefähigkeit der Buchhaltungsunterlagen ins Feld geführten Argumente nicht zu überzeugen vermögen:
Rz. 975
Am wenigsten einleuchtend erscheint die Annahme, die Mandanten- und Buchführungsunterlagen stünden nicht im Alleingewahrsam des steuerlichen Beraters. Ausgehend von dem im Strafrecht geltenden Gewahrsamsbegriff kann eine tatsächliche Sachherrschaft des Mandanten über die in den Praxisräumen des steuerlichen Beraters befindlichen Unterlagen nicht bejaht werden. Allein der Anspruch des Mandanten auf Herausgabe der Unterlagen begründet noch keine faktische Verfügungsherrschaft über die Beweismittel; ein Mitgewahrsam des Mandanten kann infolge dieser fehlenden unmittelbaren Zugriffsmöglichkeit in aller Regel nicht angenommen werden.
Rz. 976
Auch § 104 Abs. 2 AO (analog) scheidet als Ermächtigungsgrundlage für eine Beschlagnahme von Mandantenunterlagen aus, da die verfassungsrechtlich verankerte und strafprozessual durch § 97 Abs. 1, §§ 53, 148 StPO gesicherte Schutzsphäre des Berufsgeheimnisträgers nicht durch Ausweichen auf allgemeine abgabenrechtliche Regelungen unterlaufen werden darf.
Rz. 977
Ebenso zweifelhaft erscheint die Argumentation, vom Mandanten übergebene Unterlagen seien nicht in dem besonders geschützten Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem steuerlichen Berater entstanden und daher nicht vom Schutz des § 97 Abs. 1 StPO erfasst. Die beruflichen Verschwiegenheitspflichten der § 57 StBerG, § 43 BRAO und § 43 WPO sowie der damit begründete Vertrauensschutz betreffen nicht nur den Einzelsachverhalt, sondern umfassen das gesamte Mandat. Betrachtet man das Mandat und das damit verbundene besondere Vertrauensverhältnis als Ganzes, so ist jeder einen steuerrechtlichen Sachverhalt betreffende Vorgang (also auch die Überlassung von Buchhaltungsunterlagen) ein Vorgang innerhalb des Mandats und somit von der Schutzwirkung der §§ 53, 97 StPO umfasst. Im Übrigen kann es auch keinen Unterschied machen, ob der Mandant dem Berater telefonisch Mitteilungen und Anmerkungen aus dem Inhalt von Unterlagen durchgibt und der Berater sich hierüber gem. § 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO geschützte Aufzeichnungen fertigt oder die Unterlagen unmittelbar dem Berater zur Prüfung überlässt.
Rz. 978
Hinsichtlich des Arguments, Buchführungsarbeiten seien keine berufsspezifische Tätigkeit des steuerlichen Beraters, wird verkannt, dass nach dem BVerfG nur wenige, in § 6 StBerG genau bestimmte Teilbereiche der Buchführung entprivilegiert worden sind. Zudem kann es nicht darauf ankommen, dass die Kontenführung auch von anderen Personen als den Angehörigen der steuerberatenden Berufe erstellt werden kann. Gerade aufgrund des besonderen Vertrauensschutzes, den die steuerberatenden Berufe gewährleisten, entschließt sich ja der Mandant, seine Buchführung von einer Steuerberatungskanzlei und eben nicht von einem gewerblichen Buchführungshelfer anfertigen zu lassen. Lässt man diesen Umstand außer Acht, so degradiert man den steuerlichen Berater zum bloßen Buchführungshelfer, der lediglich die gesetzlichen Verpflichtungen des Mandanten aus § 238 HGB erfüllt. Diese Auffassung würde im Übrigen implizieren, dass Jahresabschlüsse, Bilanzen, Abschlussübersichten u.a. beschlagnahmefrei wären, da diese wiederum zur berufsspezifischen Tätigkeit des steuerlichen Beraters gehören.
Rz. 979
Auch die einschränkende Meinung kann nicht überzeugen. Eine Differenzierung zwischen einem bestehenden und einem erloschenen Vertrauensverhältnis, abhängig davon, ob die Buchführungsarbeiten noch andauern oder bereits abgeschlossen sind, lässt sich aus dem Gesetz nicht herleiten. Zudem umfasst das Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Auftraggeber das Mandat als Ganzes und bezieht sich nicht nur auf einzelne Tätigkeiten. Letztlich läuft diese Meinung aber auch in den Fällen auf ein generelles Beschlagnahmeverbot hinaus, in denen der Steuerberater neben den jährlichen Abschlussarbeiten auch Steuererklärungen anfertigen und ggf. Rechtsmittel einlegen soll, da er in derartigen Fällen die Buchhaltungsunterlagen u.U. bis zur Bestandskraft der Steuerbescheide benötigt.
Rz. 980
In der Praxis kann das Beschlagnahmeprivileg des Steuerberaters nur zu leicht dadurch ausgehebelt werden, dass man den Berater der vermeintlichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung oder Strafvereitelung verdächtigt (vgl. § 97 Abs. 2 Satz 3 Alt. 1 StPO, s. Rz. 340). Auch der Vorwurf, dass für die streitbefangenen Unterlagen lediglich ein "Asyl" oder "safe harbor" bzw. "safe house" bezweckt gewesen sei, wird in diesem Zusammenhang oft leichtfertig erhoben und entbehrt jeder empirischen Grundlage (zu dem umstr. Missbrauchsargument vgl. insb. auch das BVerfG vom 27.6.2018, s. Rz. 958).
Rz. 980.1
Das Handeln eines steuerlichen Beraters oder seiner Berufshelfer ist nach der Rspr. d...