Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1309
Vor diesem Hintergrund ist eine vorzeitige Festlegung auf einen bestimmten Sachverhalt im Steuerverfahren nur angezeigt, wenn damit gleichzeitig ein laufendes Strafverfahren erledigt werden kann. Eine derartige Vorgehensweise bietet sich in einem von der FinB selbständig geführten Ermittlungsverfahren (§ 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO) an, indem der Stpfl. die Verwirklichung eines bestimmten, steuerlich erheblichen Sachverhalts verbindlich akzeptiert und die FinB gleichzeitig das Strafverfahren zu einem vom Beschuldigten ebenfalls akzeptierten Abschluss (z.B. durch Antrag auf Erlass eines Strafbefehls über eine Geldstrafe in einer ganz bestimmten Höhe) bringt.
Rz. 1310
Am zweckmäßigsten ist es dabei, wenn alle Verfahrensbeteiligten sich vorab über den Verfahrensstand, die zu ergreifenden Maßnahmen und die eintretenden Rechtsfolgen abstimmen. Ansprechpartner sind die für die jeweiligen Rechtsfolgen entscheidungskompetenten Personen, d.h. im Hinblick auf das Besteuerungsverfahren ein Amtsträger, der zur Entscheidung über die Steuerfestsetzung befugt ist (z.B. der Veranlagungssachgebietsleiter), für das Steuerstrafverfahren der Sachgebietsleiter der BuStra oder die StA. Der die Ermittlungen leitende Steufa-Beamte ist jedenfalls nicht zum Abschluss einer Verständigung über die strafrechtliche Seite bzw. zu Änderungen im Entwurf befugt, wenngleich in der Praxis die Vorgespräche meist über die Steufa laufen.
So geht denn auch häufig die Initiative zum Abschluss einer Verständigung eher von der Finanzverwaltung als von dem Stpfl. aus. Von einer frühzeitigen Festlegung ist daher dringend abzuraten, es lässt sich im weiteren Verlauf vieles noch zugunsten des Mandanten aushandeln.
Rz. 1311
Im Ergebnis kann dann z.B. im Steuerverfahren die "tatsächliche Verständigung" zwischen dem Stpfl. und dem FA und im Steuerstrafverfahren die Einstellung des Verfahrens nach den §§ 153, 153a StPO oder der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls über eine bestimmte Geldstrafe nach §§ 400 bzw. 407 StPO stehen. Zu beachten ist aber dabei, dass eine Einstellung nach § 153a StPO ggf. je nach Übung des Strafsachen-FA (ab einer gewissen Höhe der verkürzten Steuer) bzw. der Erlass eines Strafbefehls stets der Mitwirkung des Gerichts bedarf. In problematischen Fällen sollte daher vorab Kontakt mit dem Gericht aufgenommen und seine Auffassung zur geplanten Vorgehensweise erbeten werden. Erst wenn das Risiko einer von der geplanten Einigung divergierenden Entscheidung mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, sollte eine verbindliche Vereinbarung über die Verwirklichung eines Sachverhalts mit der FinB getroffen werden.
Rz. 1312
Die Verständigung muss klar, widerspruchsfrei und eindeutig formuliert und schriftlich fixiert werden (s. Rz. 1256 ff.).
Rz. 1313
Unwirksam sind Verständigungen, die gegen das sog. Koppelungsverbot verstoßen (s. Rz. 1251). Danach ist eine von sachfremden Erwägungen getragene dysfunktionale Verknüpfung von Besteuerung und Strafverfolgung untersagt. Unzulässig ist z.B. eine akzeptierte Hinzuschätzung im Gegenzug zu der Zusage, kein Ermittlungsverfahren einzuleiten. An der Konnexität fehlt es auch bei einer verfahrensbeendenden Absprache im Strafverfahren, bei der dem Angeklagten eine milde Strafe gegen Geständnis und Begleichung der Steuerschuld aus der Vortat (Steuerhehlerei) zugesichert wird.
Rz. 1314
Eine ausländische Verständigung kann gem. Art. 50 GRC, Art. 54 SDÜ im Inland Strafklageverbrauch entfalten (s. auch Rz. 1359 ff.).