Rz. 1173

[Autor/Stand] Von den strafprozessualen Beweisverboten sind die Beweisverbote im Verwaltungsverfahren der Steuerermittlung zu unterscheiden (s. dazu auch § 393 Rz. 166 ff.)[2].

Der BFH anerkennt ein steuerliches Verwertungsverbot bei Verfahrensverstößen im Rahmen einer Außen- oder Steuerfahndungsprüfung nur dann, wenn sie schwerwiegend waren oder bewusst oder willkürlich begangen wurden.

Parallelen ergeben sich insoweit, als auch im Besteuerungsverfahren von der FinB folgende Rechte des Stpfl. zu beachten sind:

  • das in Art. 1 und 2 GG verankerte Persönlichkeitsrecht sowie die Grundrechte aus Art. 10 und 13 GG;
  • der Schutz des Steuergeheimnisses (§ 30 AO);
  • die Auskunftsverweigerungsrechte der §§ 101, 102, 103 AO;
  • die Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes bei Inanspruchnahme Dritter auf Auskunft oder Herausgabe von Unterlagen (speziell bedeutsam für Ermittlungen bei Kreditinstituten, vgl. § 30a Abs. 5 AO);
  • Verfahrensmängel bei der Außenprüfung (z.B. Überschreitung des nach § 4 Abs. 3 BpO 2000 vorgesehenen Prüfungszeitraums);
  • auf kriminelle Weise (z.B. Entwendung, Erpressung oder bei Ermittlungen im Ausland) erlangte Kenntnisse;
  • private Kenntniserlangung (ein Steuerfahnder nimmt z.B. während seines Urlaubs im Ausland verdächtige Transaktionen eines ihm bekannten Unternehmers wahr und nimmt nach seiner Rückkehr die Ermittlungen gegen ihn auf).

Die Einzelfalljudikatur des BFH zu diesem Problemkreis ist im Übrigen bei § 393 Rz. 166 ff. näher dargestellt.

 

Rz. 1174

[Autor/Stand] Bei BVV im Besteuerungsverfahren gilt es, folgende prozessuale Besonderheiten zu beachten:

Im Unterschied zum Strafverfahren, bei dem Beweisverbote bereits die Strafverfolgungsbehörden und auch das Gericht in ihrer Aufklärungspflicht einschränken, kann bei steuerrechtlichen Verstößen ein steuerrechtliches Verwertungsverbot grundsätzlich nach der Rspr. nur dann geltend gemacht werden, wenn die entsprechende steuerrechtliche Prüfungsmaßnahme (z.B. Prüfungsanordnung) nach den Regelungen der AO mittels Einspruchs und ggf. finanzgerichtlicher Klage angefochten worden ist oder diese Maßnahme nichtig ist[4].

 

Rz. 1175

[Autor/Stand] Beruft sich ein Steuerpflichtiger im Besteuerungsverfahren auf ein Verwertungsverbot, welches im Steuerstrafverfahren entstanden ist, so muss er den ordentlichen Rechtsweg (also beim Strafgericht) erfolgreich ausschöpfen und Rechtsbehelfe gegen die entsprechenden strafprozessualen Maßnahme nutzen (s. Rz. 393 sowie § 404 Rz. 208)[6]. Die Prüfung, ob die Durchsuchungs-/Beschlagnahmeanordnung rechtswidrig ist, obliegt nicht den Finanzbehörden oder den Finanzgerichten, sondern dem Amtsgericht und im Beschwerdeverfahren gem. § 304 StPO dem Landgericht.

 

Rz. 1175.1

[Autor/Stand] Der BFH geht von einer Tatbestandswirkung der (u.U. rechtswidrigen) Durchsuchungsbeschlüsse aus[8]. Finanzbehörden und Finanzgerichte haben insoweit keine Prüfungskompetenz. Ein steuerliches Verwertungsverbot scheidet dann bereits aus prozessualen Gründen aus.

 

Rz. 1175.2

[Autor/Stand] Ausnahmsweise kann jedoch eine inzidente Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Durchsuchung und Beschlagnahme im finanzgerichtlichen Verfahren wegen der Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung und die Feststellung eines daraus folgenden Verwertungsverbots durch das Finanzgericht erfolgen, wenn eine (straf-)richterliche Entscheidung noch gar nicht vorliegt bzw. – wie im Falle der Rechtswidrigkeit von Art und Weise des Vollzugs einer Durchsuchungsanordnung – anders als über die Durchsuchung als solche – darüber nicht vorab richterlich entschieden wird[10].

 

Rz. 1176

[Autor/Stand] Während die Literatur überwiegend BVV bei Ermittlungsverstößen anerkennt, ist die Rspr. des BFH eher restriktiv. Der BFH[12] differenziert dabei zwischen einfachen verfahrensrechtlichen Mängeln, die nicht zu einem endgültigen Verwertungsverbot führen, und qualifizierten materiell-rechtlichen Verwertungsverboten. Ein solches liegt vor, wenn die Ermittlung der Tatsachen einen verfassungsrechtlich geschützten Bereich des Stpfl. verletzen. Die so ermittelten Tatsachen sind schlechthin und ohne Ausnahme unverwertbar. Der Verstoß kann auch nicht durch zulässige, erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden[13].

Die Rspr. verneint aber nicht nur in Besteuerungsverfahren ein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt worden sind, sondern ebenso ein allgemeines steuerrechtliches Verwertungsverbot aufgrund einer Verletzung der steuerrechtlichen Pflichten bei der Informationsgewinnung[14].

 

Rz. 1177

[Autor/Stand] Aufgrund der aufgezeigten Parallelen ergibt sich eine gewisse Wechselwirkung zwischen Beweisverboten im Steuerverfahren und im Steuerstrafverfahren. Ein im Strafverfahren festgestelltes Verwertungsverbot greift auch auf das Steuerverfahren durch, wenn die zugrunde liegende Entscheidung, so insb. bei Grundrechtsverletzungen, allgemeine Gültigkeit besitzt[16]. Man spricht insoweit von übergreifenden Verwertungsverboten. Sie kommen aber auch ...

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