Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 448
§ 101 StPO enthält eine systematisch abschließende Regelung bei allen eingriffsintensiven verdeckten Ermittlungsmaßnahmen (Rasterfahndung, Postbeschlagnahme, Telekommunikationsüberwachung, akustische Überwachung innerhalb und außerhalb von Wohnungen, Verkehrsdatenerhebung, technische und langfristige Observation, Einsatz Verdeckter Ermittler, Schleppnetzfahndung, Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung) über
- die Pflicht zur Kennzeichnung der durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen erlangten Erkenntnisse; damit wird sichergestellt, dass die für eingriffsintensive verdeckte Ermittlungsmaßnahmen geltenden beschränkenden Verwendungsregelungen (vgl. auch § 161 Abs. 2, § 477 Abs. 2 StPO) Beachtung finden können;
- die nachträgliche Benachrichtigung der von verdeckten Ermittlungsmaßnahmen betroffenen Personen;
- den zu benachrichtigenden Personenkreis; durch die maßnahmespezifische Beschreibung dieses Kreises und konkreter Vorgaben, unter welchen Voraussetzungen von einer Benachrichtigung abzusehen oder diese zurückzustellen ist, werden Auslegungsunsicherheiten in der Praxis beseitigt;
- das Erfordernis einer – ggf. mehrfachen – gerichtlichen Zustimmung zur Zurückstellung der Benachrichtigung;
- die Möglichkeit eines nachträglichen – auch nach Erledigung der Maßnahme eingreifenden – gerichtlichen Rechtsschutzes für die von verdeckten Ermittlungsmaßnahmen betroffenen Personen (s. Rz. 448.1);
- die Pflicht zur Löschung der aus verdeckten Ermittlungsmaßnahmen erlangten Erkenntnisse, sobald diese für Zwecke der Strafverfolgung sowie für einen etwaigen gerichtlichen Rechtsschutz nicht mehr erforderlich sind (s. Rz. 448.2).
Rz. 448.1
Zum nachträglichen Rechtsschutz gegenüber einer TKÜ hat das LG Nürnberg-Fürth festgestellt, dass der Inhalt der Benachrichtigung über eine Überwachungsmaßnahme mindestens die zugrunde liegende Anordnung und deren Rechtsgrundlage, den Zeitpunkt, die Art und die Dauer der Maßnahme benennen muss. Aus der Benachrichtigung muss sich weiter zumindest ergeben, ob die Überwachungsmaßnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen als Beschuldigten angeordnet wurden oder ihn nur als Dritten betreffen. In der Benachrichtigung muss auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes so hingewiesen werden, dass der Betroffene ihn ohne weiteres ergreifen kann. Dazu gehört insbesondere die Angabe, bei welchem Gericht er den Rechtsschutz erlangen kann.
Rz. 448.2
Bei der Entscheidung des BGH vom 4.2.2016 wendete sich die gem. § 101 Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ausweislich ihrer Begründung gegen die Entscheidung des OLG, soweit dort die Art und Weise des Vollzugs der Maßnahmen als rechtmäßig bewertet worden war. Das Rechtsmittel hatte in der Sache Erfolg, denn die Aufzeichnungen über die durch die verfahrensgegenständlichen Überwachungsmaßnahmen gewonnenen Erkenntnisse hätten nach § 160a Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 5 StPO unverzüglich gelöscht werden müssen.
Rz. 449
Die Verwertung der durch verdeckte Ermittlungsmethoden auf präventiv-polizeilicher Grundlage erlangten Daten im Strafverfahren ist in § 161 Abs. 2 StPO, die Verwertung von auf strafprozessualer Grundlage erlangten Daten in anderen Strafverfahren in § 477 Abs. 2 StPO geregelt. Eine derartige "Umwidmung" ist einheitlich davon abhängig, ob sich der neue Verwendungszweck ebenfalls auf Straftaten bezieht, die die Anwendung der Maßnahme nach der StPO erlauben.
Rz. 450
Die Schaffung einer Konzentrationsregelung für die Vornahme gerichtlicher Untersuchungshandlungen (§ 162 Abs. 1 StPO; s. dazu näher § 391 Rz. 40 ff.) sowie die Harmonisierung der Anordnungskompetenzen und der Anordnungsdauer (§ 100e Abs. 1, 5 sowie § 100i Abs. 3, § 163f Abs. 3 Satz 3 StPO, jeweils i.V.m. § 100e Abs. 1 StPO) dienen in gleicher Weise der Stärkung der mit dem Richtervorbehalt bezweckten rechtsstaatlichen Kontrolle.