Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Ergänzender Hinweis: Nr. 70–72 AStBV (St) 2020 (s. AStBV Rz. 70 ff.).
Schrifttum:
S. dazu die Nachw. bei § 399 vor Rz. 53; ferner: weil zitiert und aktueller Gehm, Die Einziehung im Steuerstrafverfahren – eine aktuelle Betrachtung, StB 2019, 368; Höft, § 76a Abs. 4 StGB – Ein neues und verfassungswidriges Instrument im deutschen Vermögensabschöpfungsrecht, HRRS 2018, 196; Wilke, Vermögensabschöpfung und Deal – Ökonomisierungs- und Verteidigungspotential, StraFo 2019, 495; Wilke, Notwendiger Abstimmungsbedarf zwischen Steuerstraf- und Besteuerungsverfahren bei der strafrechtlichen Vermögenseinziehung, wistra 2019, 81.
Vgl. auch den Praxisleitfaden zur Vermögensabschöpfung im Steuerstrafverfahren (ab 1.7.2017) – BMF v. 26.3.2019 – IV A 4 - S 0700/07/10026-01; s. Nr. 70 Abs. 1 Satz 12 AStBV (St) 2020 (s. AStBV Rz. 70).
a) Sicherung der Vermögensabschöpfung
Rz. 451
Das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 hat zum 1.7.2017 die strafrechtliche Vermögensabschöpfung in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht grundlegend neu konzipiert (s. dazu § 370 Rz. 1130 ff., § 399 Rz. 53 ff. und § 375 Rz. 32 ff.).
Auch wenn der Gesetzgeber nun eine einheitliche Terminologie ("Einziehung") für die bisherigen Institute der Einziehung und des Verfalls gebraucht, ist der Sache nach weiterhin zwischen der "Einziehung von Taterträgen" gem. §§ 73 ff. StGB (bisher Verfall) und der Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten (§ 74 ff. StGB), bisher Einziehung, zu differenzieren.
Auch die Vorschriften zum "dinglichen Arrest", nunmehr "Vermögensarrest"(§ 111e StPO) wurden grundlegend geändert.
Rz. 452
Die Verfallsvorschriften hatten bislang im (reinen) Steuerstrafverfahren nur geringe praktische Bedeutung, da dem Verletzten (hier dem Staat als Steuergläubiger) aus der Tat ein Anspruch auf Zahlung der hinterzogenen Steuern erwuchs und somit der Ausschlussgrund des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. eingriff. In diesem Fall erfolgte eine vorläufige Sicherung zugunsten der Staatskasse nur über die Rückgewinnungshilfe.
Wesentlicher Kern der Neukonzeption ist die Streichung dieser Ausschlussklausel des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. und der Regelungen der Rückgewinnungshilfe (§ 111b Abs. 5 StPO a.F.). Damit kann ein Taterlös oder ein Wertersatz nun selbst dann abgeschöpft werden, wenn Ansprüche des Verletzten (hier des Fiskus) denkbar sind. Wegen der Einzelheiten dieser Änderungen im StGB s. § 370 Rz. 1130 ff., § 399 Rz. 53 ff.
Rz. 453
Die erweiterte Einziehung ist jetzt nicht mehr auf Katalogtaten beschränkt, sondern aufgrund jeder Straftat, also auch bei Steuerstraftaten, möglich (§ 73a StGB ).
Rz. 454
Demgegenüber findet das Institut der nicht mit der Einziehung von Taterträgen (früher Verfall) zu verwechselnden Einziehung von Tatmitteln, Tatprodukten (§§ 74–76b StGB, § 375 Abs. 2 AO) im Bereich der Zollstraftaten häufige Anwendung (s. § 375 Rz. 32 ff.). Betroffen davon sind Erzeugnisse, Waren und andere Sachen, auf die sich die Hinterziehung von Einfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, Bannbruch und Steuerhehlerei beziehen (§ 375 Abs. 2, § 372 Abs. 2, § 373 AO), sowie Beförderungsmittel, die zur Tat benutzt wurden (z.B. Fahrzeuge zum Transport von Schmuggelgut).
Rz. 455
Die vorbezeichneten Maßnahmen können auch im sog. selbständigen Einziehungsverfahren getroffen werden (§ 76a StGB; §§ 435–437 StPO; vgl. dazu auch die Erl. zu § 399 Rz. 72 ff.; § 401 Rz. 11 ff.). Als neues Abschöpfungsinstrument ist dabei nach § 76a Abs. 4 StGB i.V.m. § 437 StPO eine selbständige Einziehung sogar schon dann zulässig, wenn zwar der Betroffene nicht wegen einer Straftat verfolgt oder verurteilt werden kann, aber das Strafverfahren wegen des Verdachts einer bestimmten Straftat aus dem Bereich des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität (u.a. auch § 370 Abs. 3 Nr. 5, § 373 Abs. 2 und § 374 Abs. 2 AO) geführt wird und das Gericht davon ausgeht, dass der sichergestellte Vermögensgegenstand aus einer solchen Straftat stammt (krit. zu dieser non-conviction-based confiscation s. § 399 Rz. 72.1 ff.).
Rz. 456
Die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten kann wie bisher zweigleisig erfolgen: Soll die Vollstreckung der Einziehung des Tatertrags gesichert werden, ist die Beschlagnahme des Gegenstands anzuordnen (§ 111b StPO). Geht es um die Sicherung der Einziehung des Wertes des Tatertrages, ergeht ein Vermögensarrest (§ 111e StPO; s. Rz. 460 ff.).
Rz. 457
Die vorläufige Sicherstellung ist im Gegensatz zum materiellen Recht der Vermögensabschöpfung nicht zwingend, sondern steht im Ermessen der Strafjustiz (§ 111b Abs. 1 Satz 1, § 111e Abs. 1 Satz 1 StPO). Sprechen jedoch dringende Gründe für eine spätere (Wertersatz-)Einziehung, dann "soll" eine vorläufige Sicherstellung erfolgen (§ 111b Abs. 1 Satz 2, § 111e Abs. 1 Satz 2 StPO).
Rz. 458
Zur grenzüberschreitenden Sicherstellung von Vermögensgegenständen s. § 3...