Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
I. Erstinstanzliche Zuständigkeiten
Rz. 600
Die sachliche Zuständigkeit der erstinstanzlichen Spruchkörper in Strafsachen ist abhängig von Art und Schwere des Anklagevorwurfs. S. dazu auch die Übersicht in Rz. 768.
Rz. 601
Das Amtsgericht mit seinen drei Spruchkörpern (Einzelrichter, Schöffengericht, erweitertes Schöffengericht) ist zuständig, wenn nicht
- die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 74 Abs. 2 GVG oder § 74a GVG oder des Oberlandesgerichts nach den §§ 120 GVG oder 120b GVG begründet ist,
- im Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung (§§ 66–66b StGB) zu erwarten ist oder
- die StA wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verletzten der Straftat, die als Zeugen in Betracht kommen, des besonderen Umfangs oder der besonderen Bedeutung des Falles Anklage beim Landgericht erhebt (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 1–3 GVG).
Rz. 602
Der Strafrichter ist zuständig, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu erwarten ist (§§ 24, 25 Nr. 2 GVG). Abzustellen ist gem. § 25 GVG allein auf die Straferwartung. Dies hat auch zur Konsequenz, dass für den Erlass eines Strafbefehls ausschließlich der Strafrichter zuständig ist, da seine Rechtsfolgenkompetenz alle im Strafbefehlsverfahren denkbaren Sanktionen abdeckt (str., s. § 400 Rz. 136).
Rz. 603
Das Schöffengericht beim Amtsgericht ist zuständig, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren zu erwarten ist. Das Amtsgericht darf auf keinen Fall auf eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe erkennen (§ 24 Abs. 2 GVG). Stellt sich in der Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter oder dem Schöffengericht heraus, dass eine höhere Strafe zu erwarten ist, muss die Sache an das Landgericht verwiesen werden. Zum erweiterten Schöffengericht s. § 29 Abs. 2 GVG.
Rz. 604
Was die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts anlangt, ist auf § 391 AO und die dazu gemachten Ausführungen zu verweisen. Zum Zwecke der Konzentration der Zuständigkeit sollen beim Amtsgericht Steuerstrafsachen bestimmten Abteilungen zugewiesen werden, § 391 Abs. 3 AO (zu den Modifizierungen der Konzentrationsnormen der Abs. 1–3 des § 391 AO durch Abs. 4 s. § 391 Rz. 30 ff.).
Eine Anklage vor dem Amtsgericht ist für den Betroffenen sicherlich von Vorteil, weil er das amtsgerichtliche Urteil mit der Berufung und anschließend (ausnahmsweise sogleich mit der sog. Sprungrevision) mit der Revision anfechten kann.
Rz. 605
Die große Strafkammer beim Landgericht ist in allen übrigen Fällen erstinstanzlich zuständig (§ 74 Abs. 1 GVG), insb. wenn eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung zu erwarten ist oder bei denen die StA in den Fällen des § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG (z.B. wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Bedeutung des Falles) Anklage beim Landgericht erhebt. In aller Regel werden Steuerstrafsachen größeren Umfangs bei den Landgerichten angeklagt. Die großen Strafkammern sind mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt sind, sofern sie nicht als Schwurgericht zuständig sind oder nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache (so i.d.R. bei gravierenderen Steuerstrafsachen) die Mitwirkung eines dritten (Berufs-) Richters notwendig ist (vgl. § 76 Abs. 3 GVG).
Rz. 606
In Wirtschaftsstrafsachen ist gem. § 74c GVG die spezielle sachliche Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer begründet. Das ist auch bei Steuer- und Zollstraftaten der Fall (§ 74c Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 1, Nr. 6 Buchst. b GVG).
Die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer ist hingegen nicht begründet, wenn das Steuer- oder Zolldelikt mit einer Straftat nach dem BtMG zusammentrifft (§ 52 StGB) oder die Kfz-Steuer betrifft, § 74c Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2 GVG (vgl. auch § 391 Abs. 4 AO; s. § 391 Rz. 86 ff., 90 ff.).
Rz. 607
Auch in Steuerstrafsachen ist die Wirtschaftsstrafkammer als Beschwerdegericht nur zuständig, wenn als Gericht der Hauptsache (voraussichtlich) zumindest das Schöffengericht zuständig ist.
Rz. 608
§ 74c Abs. 3, 4 GVG enthalten weitere Konzentrationsregelungen hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit (zum sog. Gerichtsstand s. auch § 391 Rz. 30 ff.). Zu der Ermächtigung des Abs. 3, durch Länderverordnung die zentrale Zuständigkeit von Landgerichten und den dort bestehenden Wirtschaftsstrafkammern zuzuweisen s. § 391 Rz. 75 ff.
Rz. 609– 613
Einstweilen frei.