Ergänzender Hinweis: Nr. 26 AStBV (St) 2020 (s. AStBV Rz. 26)

 

Rz. 52

[Autor/Stand] Gemäß § 386 Abs. 1 Satz 1 AO ermittelt "bei dem Verdacht einer Steuerstraftat ... die Finanzbehörde den Sachverhalt". Die Vorschrift verleiht der FinB eine unselbständige Ermittlungskompetenz[2], d.h. sie wird als Hilfsorgan der StA tätig und hat insoweit die Rechte und Pflichten entsprechend einer Polizeibehörde (§ 402 Abs. 1 AO), ergänzt um einzelne, den Ermittlungspersonen der StA vorbehaltenen Zwangsbefugnisse (§ 399 Abs. 2 Satz 2 AO). Wegen der Einzelheiten s. Rz. 28 und die Erl. zu § 402 und § 399.

 

Rz. 53

[Autor/Stand] Der Begriff "Steuerstraftaten" ergibt sich aus § 369 Abs. 1 AO. Außer den Taten, die nach den Steuergesetzen (AO und Einzelsteuergesetzen) strafbar sind (insb. also gem. §§ 370, 373, 374 AO, § 26c UStG), zählen hierzu generell der Bannbruch (s. § 372 Rz. 52 ff.)[4], die Wertzeichenfälschung (§ 148 StGB) und deren Vorbereitung (§ 149 StGB), soweit die Tat Steuerzeichen betrifft, die Begünstigung einer Person gem. § 257 StGB, die eine der genannten Taten begangen hat, sowie die Anstiftung (§ 26 StGB) und die Beihilfe (§ 27 StGB) zu einer vorstehend genannten Tat (vgl. dazu im Einzelnen die Erl. zu § 369). Auch soweit der gesamte steuerliche Sachverhalt erfunden wurde (z.B. Vortäuschen eines Steuerschuldverhältnisses), ist die Tat als Steuerhinterziehung und nicht als Betrug zu werten (zur gewandelten BGH-Rspr. s. § 370 Rz. 432)[5].

 

Rz. 54

[Autor/Stand] Die Ermittlungskompetenz der FinB i.S.d. § 386 Abs. 1 Satz 1 AO setzt den Verdacht einer Steuerstraftat (ausf. hierzu § 397 Rz. 4 ff.) voraus, der eine Verfolgungspflicht begründet (zum Legalitätsprinzip s. § 397 Rz. 4)[7].

Den Begriff des Anfangsverdachts[8] kennt die StPO nicht. Er wird jedoch § 152 Abs. 2 StPO entnommen (s. § 397 Rz. 5 ff.). Das Gesetz umschreibt das hiermit gemeinhin bezeichnete Erfordernis als das Vorliegen "zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte"[9]. Der Begriff des Anfangsverdachts markiert die Grenze, hinter der ein Bürger insb. mit strafprozessualen Zwangsmaßnahmen rechnen muss und ab der er formal als Beschuldigter zu behandeln und damit insbesondere nach § 136 Abs. 1 Satz 2, 3 StPO zu belehren ist. Gleichzeitig verhindert er, dass die Ermittlungsbehörden grenzenlos und ohne einen konkreten Bezug zu einer Straftat Daten erheben und sammeln.[10] Aus § 152 Abs. 2 StPO folgt daher einerseits, ab wann die StA einschreiten muss und andererseits, ab wann sie einschreiten darf. Im Vergleich zu den übrigen in der StPO vorkommenden Verdachtsgraden, ist der Anfangsverdacht durch eine verhältnismäßig geringe Intensität gekennzeichnet. Eine genaue Abgrenzung ist jedoch insbesondere im Steuerstrafverfahren von Bedeutung, da hiervon abhängt, ob der Steuerpflichtige (noch) zur Mitwirkung verpflichtet ist und sich danach die Frage beantwortet, ob die FinB bspw. noch zulässig im Bereich der Steueraufsicht oder schon im Bereich der Strafverfolgung tätig ist.

Ein Anfangsverdacht liegt vor, wenn es nach kriminalistischer Erfahrung möglich erscheint, dass eine verfolgbare Straftat begangen worden ist,[11] d.h. die Möglichkeit einer späteren Verurteilung besteht. Die Möglichkeit bezieht sich auf folgende Komponenten:[12]

  1. Tatbegehung,
  2. Subsumtion der Tat unter einen Straftatbestand und Bejahung des Steueranspruchs,
  3. Nachweis Tatbegehung mit prozessual zulässigen Beweismitteln,
  4. keine Verfahrenshindernisse.

In diesem Fall ist unverzüglich das Steuerstrafverfahren einzuleiten unter Beachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Bekanntgabe- und Belehrungspflichten (vgl. § 393 Abs. 1 Satz 4, § 397 Abs. 3 AO, § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO). Anderweitige Ermittlungen (insb. verdeckte strafrechtliche Ermittlungen des Betriebsprüfers) sind rechtswidrig und können bzgl. der erlangten Erkenntnisse ein Verwertungsverbot begründen (s. § 385 Rz. 146, 1090. Zu sog. Vorfeldermittlungen ist nur die Steuer- und Zollfahndung nach Maßgabe des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO befugt (§ 404 Rz. 80 ff.).

Ob die FinB bei Verdacht einer Steuerstraftat ihre Ermittlungen auch auf die damit zusammentreffenden Allgemeindelikte erstrecken kann, ist str. (s. Rz. 89 ff., 163 ff.).

[Autor/Stand] Autor: Peters/Bertrand, Stand: 01.02.2022
[2] Vgl. auch OLG Braunschweig v. 24.11.1997 – Ss (S) 70/97, wistra 1998, 71; Randt in JJR8, § 386 AO Rz. 8; Hardtke/Westphal, wistra 1996, 91.
[Autor/Stand] Autor: Peters/Bertrand, Stand: 01.02.2022
[4] Enger Randt in JJR8, § 386 AO Rz. 13: nur bei Bannbruch, der gem. § 372 Abs. 2 AO mit Strafe bedroht ist.
[5] Vgl. BGH v. 23.3.1994 – 5 StR 91/94, wistra 1994, 194 = UR 1994, 365 m. Anm. Weiss.
[Autor/Stand] Autor: Peters/Bertrand, Stand: 01.02.2022
[7] Zum Ganzen auch Stam, Offizial-, Anklage- und Legalitätsgrundsatz, in Hilgendorf/Kudlich/Valerius (Hrsg.), Handbuch des Strafrechts, Bd. 7 (Grundlagen des Strafverfahrensrechts), 2020, S. 329.
[8] Zum Ganzen ausführlich Peters in MünchKomm, § 152 StPO Rz. 1 ff.; Tormöhlen in HHSp., § 386 AO Rz. 46; Ebert, Der Tatver...

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