Rz. 183
Stößt die FinB anlässlich ihrer Ermittlungen wegen einer Steuerstraftat auf Anhaltspunkte für das Vorliegen einer sonstigen, allgemeinen Straftat, die nicht zumindest teilweise der Aufklärung der Steuerstraftat dienen, sind darauf gerichtete Ermittlungshandlungen dennoch wirksam.
Rz. 184
Gehen bei Beginn des Ermittlungsverfahrens die beteiligten Strafverfolgungsbehörden davon aus, dass die aufzuklärenden Taten bspw. als Hinterziehungen von Mineralölsteuer und zugleich als Diebstähle strafbar sein würden und wird das Verfahren von Anfang an unter dem Gesichtspunkt des "Verdachts der Mineralölsteuerhinterziehung durch Diebstahl von unversteuertem Gasöl in einem Steuerlager" geführt, entfällt die Kompetenz nicht deshalb, weil die zu erforschenden Steuerstraftaten zugleich die tatbestandlichen Voraussetzungen des Diebstahls (bzw. der Beihilfe zum Diebstahl) erfüllen.
Rz. 185
Ermittlungshandlungen, die die FinB ggf. außerhalb ihrer Sachkompetenz vorgenommen hat, müssen keineswegs durch die StA wiederholt werden. Dies wäre bloße Förmelei. Gibt sie diese Erkenntnisse – auch soweit sie im Besteuerungsverfahren erlangt wurden – dennoch an die StA weiter, ohne dass eine Offenbarungsbefugnis i.S.d. § 30 Abs. 4, 5 AO vorliegt, unterliegen die Erkenntnisse auch keinem Verwertungsverbot gem. § 393 Abs. 2 Satz 1 AO (s. Rz. 166, 174; § 385 Rz. 52, 1045 ff.). Eine Vorauswirkung von Verwertungsverboten kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht und ist vielmehr im Kontext mit der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten zu verorten. Es ist dabei zwischen der Verwertbarkeit für Zwecke der Annahme eines Anfangsverdachts und der Verwertbarkeit für Zwecke einer strafrechtlichen Aburteilung zu differenzieren (s. § 371 Rz. 706). Es ist anerkannt, dass Verfahrensfehler, die ein Verwertungsverbot für ein Beweismittel zur Folge haben, nicht ohne weiteres Fernwirkung für das gesamte Strafverfahren begründen. Die Ablehnung eines auf den Anfangsverdacht ausstrahlenden grundsätzlichen Verwertungsverbots ist dadurch gerechtfertigt, dass das Strafverfahren durch einen Verfahrensverstoß nicht zur vollständigen Lähmung kommen soll. Eine Vorauswirkung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Es besteht indes kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig ist. Insofern ist eine Abwägung vorzunehmen, in welche auf der einen Seite die Schwere des Rechtsverstoßes, der zu dem Beweisverwertungsverbot führt, und auf der anderen Seite die Schwere der Tat, hinsichtlich derer ein Anfangsverdacht begründet werden soll, einzustellen. In jedem Fall aber darf eine unter Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot gewonnene Tatsache nicht zur Rechtfertigung strafprozessualer Zwangsmaßnahmen herangezogen werden. Die fehlerhaft gewonnenen oder einem Verwertungsverbot unterliegenden Erkenntnisse dürfen indes verwertet werden, wenn sie nicht allein auf eine unzulässige Beweiserhebung gestützt werden.
Fehlen jedoch hinreichende Angaben zum Tatverdacht, kann u.U. eine strafprozessuale Zwangsmaßnahme (z.B. Beschlagnahme) aufgehoben oder eine Durchsuchung für rechtswidrig erklärt werden. Eine Durchsuchung darf bspw. nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erforderlich sind.