Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 35
Örtlich zuständig ist auch die FinB, in deren Bezirk das Steuerdelikt "entdeckt" worden ist. Die an den Entdeckungsort anknüpfende Zuständigkeitsregelung hat insb. Bedeutung für die Zollverwaltung.
Der hier verwendete Begriff der Tatentdeckung ist ein anderer als der des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO (s. § 371 Rz. 629 ff.). Während es in § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO um den Ausschluss von Straffreiheit, also um eine materiell-rechtliche Frage geht, ist der Begriff im Rahmen des § 388 AO verfahrensrechtlich zu bestimmen. Die Tatentdeckung muss daher durch eine i.S.d. § 397 AO zur Einleitung des Strafverfahrens befugte und verpflichtete Person erfolgen (dazu sogleich).
Rz. 36
Während bei § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO als Entdecker neben den Amtsträgern und Strafverfolgungsbehörden auch Privatpersonen (unbeteiligte Dritte) in Betracht kommen (s. § 371 Rz. 655), ist bei § 388 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 AO auf die dienstliche Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden abzustellen; es genügt also nicht die Kenntnis Dritter, wenn damit zu rechnen ist, dass diese sie an die zuständigen Behörden weiterreichen (s. § 371 Rz. 655 f.). Allerdings ist nicht erforderlich, dass der Entdecker selbst die Kenntnis von der Tat erlangt hat. Eine Entdeckung aufgrund eines Hinweises oder nach Vorlage durch Dritte reicht aus.
Rz. 37
Entdecker sind nicht nur die Beamten der FinB i.S.d. § 386 Abs. 1 Satz 2 AO, sondern gem. § 397 Abs. 1 AO auch die StA, die Polizei oder eine sonstige Stelle, die nach § 116 AO zur Mitteilung von Steuerstraftaten an die FinB verpflichtet ist. Keine Anzeigepflicht besteht hingegen bei Steuerordnungswidrigkeiten.
Rz. 38
Die "Tat" im prozessualen Sinn des § 264 StPO (s. § 385 Rz. 1315 ff.; § 386 Rz. 95 ff.) ist als entdeckt anzusehen, wenn der Verdacht, dass eine Steuerstraftat begangen worden ist, konkretisiert ist, d.h. ein Anfangsverdacht i.S.d. § 152 Abs. 2 StPO vorliegt (s. § 385 Rz. 124 ff.; § 386 Rz. 54; anders hingegen § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO, der hinreichenden Tatverdacht voraussetzt, s. § 371 Rz. 634 ff.). Dabei genügt es, dass die Verfolgungsbehörden von einem Teil des wirklichen Tatgeschehens oder der Tatfolgen Kenntnis haben. Eine vollständige Aufklärung ist nicht erforderlich, denn diese soll und kann i.d.R. erst durch die Ermittlungen geschehen. Die Kenntnis muss so beschaffen sein, dass bestimmte Umstände einer dieser Stellen nahelegen, wegen des Verdachts einer Steuerstraftat einzuschreiten. Gleiches gilt, wenn solche Umstände eine Amtsperson verpflichten, das strafrechtliche Einschreiten an zuständiger Stelle zu veranlassen (§ 116 AO). Allein die bloße Kenntnis von einer nicht oder nur unsollständig angegebenen Steuerquelle dürfte allerdings nicht genügen.
Rz. 38.1
Die Entdeckung einer selbständigen Tat kann nach Aufgabe der Rechtsfigur der fortgesetzten Tat (s. § 370 Rz. 863, 874 f. m.w.N.) nicht mehr die örtliche Zuständigkeit zur Verfolgung anderer, in Tatmehrheit stehenden Steuerstraftaten begründen, die an unterschiedlichen Orten begangen wurden. Trotz einheitlichen Gesamtplans können daher für mehrere Einzeltaten unterschiedliche Zuständigkeiten begründet sein. Allerdings kann in diesen Fällen eine einheitliche Zuständigkeit wegen Sachzusammenhang (§ 389 AO) oder wegen Sachdienlichkeit nach § 390 (AO) hergestellt werden
Rz. 39
Die Entdeckung bezieht sich nur auf die Tat, nicht auf den Täter (anders bei § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO, s. § 371 Rz. 652 f.). Eine Tat ist somit bereits dann entdeckt, wenn zunächst unklar ist, wer Täter oder sonst Beteiligter ist, da ein Verfahren gem. § 397 AO auch gegen "Unbekannt" eingeleitet werden kann (s. § 397 Rz. 8.4).