Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
I. Einzelzuständigkeit (sachliche, örtliche)
Rz. 8
Die FinB, der die Zuständigkeit aufgrund des Zusammenhangs zuwächst, muss funktionell (i.S.d. § 386 Abs. 1 Satz 2 AO, vgl. die Erl. dort) und sachlich (i.S.d. § 387 AO) zur Verfolgung des Gesamtkomplexes und örtlich (i.S.d. § 388 AO) bzgl. einer Strafsache zuständig sein.
Rz. 9
Für eine der zusammenhängenden Strafsachen muss die örtliche Zuständigkeit der FinB i.S.d. § 388 AO (vgl. die Erl. dort) begründet sein, da § 389 AO hieran anknüpft.
Rz. 10
Die örtliche Zuständigkeit setzt ihrerseits wiederum die sachliche Zuständigkeit i.S.d. § 387 AO voraus (vgl. die Erl. dort). Die beteiligten FinB müssen jedoch für sämtliche zusammenhängenden Steuerdelikte sachlich zuständig sein. Wie bereits ausgeführt (s. Rz. 4), findet § 389 AO keine Anwendung bei unterschiedlicher sachlicher Zuständigkeit. § 389 AO gilt also nicht, wenn eine der Straftaten zur Zuständigkeit des HZA und eine andere zur Zuständigkeit des FA gehört (vgl. Nr. 24 Abs. 3 Satz 2 AStBV (St) 2023, s. AStBV Rz. 24).
Beispiel
S hat zunächst Waren eingeschmuggelt und dadurch Einfuhr-Umsatzsteuer hinterzogen. Bei der anschließenden Weiterveräußerung hinterzieht er Umsatzsteuer und durch Nichtangabe der erzielten Einkünfte Einkommensteuer und Gewerbesteuer. Trotz Zusammenhangs der einzelnen Taten ist keine Zuständigkeit gem. § 389 AO des für die Verwaltung der Einfuhr-Umsatzsteuer zuständigen HZA und des für die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer zuständigen FA für alle Taten begründet.
Rz. 11
In derartigen Fällen können die betreffenden FinB jedoch die in ihre jeweilige Zuständigkeit fallende Strafsache gem. § 386 Abs. 4 Satz 1 AO an die StA abgeben, die die Ermittlungen einheitlich führen kann und die Verfahren je nach Zuständigkeit der Gerichte gem. §§ 2 ff. bzw. § 13 StPO gemeinsam anklagen kann.
II. Zusammenhängende Strafsachen
1. Begriffe
Rz. 12
Zum Begriff "Strafsachen" s. Rz. 6.
Rz. 13
Wegen des Begriffs des "Zusammenhangs" verweist § 389 Satz 2 AO auf § 3 StPO, der die sachliche Zuständigkeit der Gerichte im Strafverfahren regelt und daher im Steuerstrafverfahrensrecht nur entsprechend anwendbar ist.
§ 3 StPO Begriff des Zusammenhangs
Ein Zusammenhang ist vorhanden, wenn eine Person mehrerer Straftaten beschuldigt wird oder wenn bei einer Tat mehrere Personen als Täter, Teilnehmer oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beschuldigt werden.
Die Vorschrift unterscheidet zwischen persönlichem und sachlichem Zusammenhang. Ein Zusammenhang zwischen mehreren Strafsachen kann somit entweder durch die Person des Beschuldigten (s. Rz. 14 ff.) oder durch die Tatbeteiligung (s. Rz. 18 ff.) hergestellt werden.
2. Persönlicher Zusammenhang
Rz. 14
Ein persönlicher Zusammenhang liegt vor, wenn eine Person im Verdacht steht, mehrere Straftaten begangen zu haben.
Beispiel
Der Stpfl. S, der seinen Wohnsitz in X hat, betreibt in Y einen Gewerbebetrieb. Durch Nichtangabe von Umsätzen bei der FinB in Y verkürzt er Umsatzsteuer und Gewerbesteuer, außerdem Einkommensteuer durch die entsprechende Nichtangabe bei der FinB in X.
Hier sind beide FinB (X und Y) örtlich zuständig, und zwar für die Erforschung des gesamten Sachverhalts. Der Vorrang gebührt derjenigen FinB, die wegen der (Einzel-)Tat zuerst ein Strafverfahren eingeleitet hat (§ 390 Abs. 1 AO, vgl. die Erl. dort).
Wegen der weitgehenden regionalen Zuständigkeitskonzentration bei Buß- und Strafsachenstellen dürfte derartige Fälle aber eher nur bei räumlich weit auseinanderliegenden Tatorten relevant werden.
Rz. 15
Die einzelnen Steuerdelikte brauchen keine sachlichen Berührungspunkte aufzuweisen.
Beispiel
Stpfl. S hat bei der FinB Y Umsatzsteuer und Gewerbesteuer hinterzogen. Außerdem hat er eine Kraftfahrzeugsteuerhinterziehung bei der FinB in Z begangen. Hier sind beide FÄ (Y und Z) für sämtliche Steuerstraftaten zuständig.
Rz. 16
Auch bei § 3 StPO gilt der prozessuale Tatbegriff, d.h. es müssen mehrere prozessual selbständige Taten i.S.d. § 264 StPO vorliegen (s. § 385 Rz. 1315 ff.; § 386 Rz. 95 ff.). Bilden mehrere materiell selbständige Taten i.S.d. § 53 StGB eine Prozesseinheit i.S.d. § 264 StPO (s. § 386 Rz. 100 f.), bedarf es hier zur Begründung der Zuständigkeit kraft Zusammenhangs nicht des § 389 AO, da die Zuständigkeit bereits aus § 388 AO folgt.
Rz. 17
Wenn der Beschuldigte die Steuerstraftaten teils als Jugendlicher, teils als Erwachsener begangen hat, ist für die Aburteilung der gesamten Tat das Jugendgericht zuständig. Daher kann die nach