Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 80
§ 391 Abs. 3 AO schreibt vor, dass Steuerstrafsachen beim AG einer bestimmten Abteilung, also einer Steuerstrafabteilung, zuzuweisen sind. Obwohl als "Soll-Vorschrift" formuliert, wird man der Bedeutung des § 391 Abs. 3 AO nur gerecht, wenn man ihn als gesetzliche, rechtsverbindliche Anweisung an die Präsidien der AG versteht, Steuerstrafsachen bestimmten Abteilungen, d.h. einem bestimmten Strafrichter als Spruchstelle (vgl. § 22 Abs. 4 GVG) zuzuweisen.
Nur dieses Verständnis trägt dem Grundgedanken der Vorschrift Rechnung, auf den in Rz. 10 bereits hingewiesen wurde. Außerdem führt Abs. 3 über die Regelung der allgemein in Abs. 1 Satz 1 normierten örtlichen Konzentration zu einer besonderen Konzentration bei dem jeweiligen AG.
Rz. 81
Das Präsidium des jeweiligen AG hat der in § 391 Abs. 3 AO enthaltenen Weisung im Geschäftsverteilungsplan Rechnung zu tragen. Fraglich kann nur sein, welche Rechtsfolgen sich für den Angeklagten ergeben, wenn die Weisung im Geschäftsverteilungsplan keine Berücksichtigung findet. Die Antwort hängt von der Rechtsqualität des Geschäftsverteilungsplanes ab. Versteht man ihn nach tradierter Ansicht als organisatorischen Akt der gerichtlichen Selbstverwaltung zur Bestimmung des gesetzlichen Richters i.S.v. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, fehlt ihm der Rechtsnorm-Charakter mit der Folge, dass Fehler bei Erstellung des Geschäftsverteilungsplans – von eklatanten Mängeln abgesehen – nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein können. Für diese Auffassung spricht der Hinweis von Göhler, die Formulierung als "Soll-Vorschrift" sei bewusst gewählt worden, um die Revisibilität eines Verstoßes gegen die Vorschrift auszuschließen.So hebt auch Jäger auf den Ermessensspielraum des Präsidenten des AG bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplanes ab und hält eine Revisibilät nur im Fall einer Ermessenreduktion auf null für gegeben, an der es aber regelmäßig fehlen werde.
Grundsätzlich sind aber auch inhaltliche Mängel der Geschäftsverteilung revisibel. Vorzugswürdig erscheint daher die inzwischen überwiegende Ansicht, bei vom Präsidium des AG fehlerhaft aufgestelltem Geschäftsverteilungsplan sei die Revision wegen nicht vorschriftsmäßiger Gerichtsbesetzung nach §§ 337, 338 Nr. 1 Halbs. 1 StPO begründet.
Rz. 81.1
Bei einer Zurückverweisung nach Aufhebung eines Urteils in der Revisionsinstanz an eine andere Abteilung des Gerichts gleicher Ordnung gem. § 354 Abs. 2 Satz 2 StPO kann sich aber das Problem ergeben, dass u.U. im erneuten Rechtsgang ein Richter mit der Sache befasst wird, der nicht auf Steuerstrafsachen spezialisiert ist. Daher sollte zutreffender Ansicht nach gemäß dem Sinn und Zweck der Regelung (s. Rz. 10) die Strafsache an ein anderes für Steuerstrafsachen zuständiges AG verwiesen werden. Anderer Ansicht nach wird vorgeschlagen, im Geschäftsverteilungsplan eine bestimmte Abteilung für alle zurückverwiesenen Steuerstrafsachen vorzusehen.