Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 95
Die örtliche Zuständigkeit des AG oder des LG (Wirtschaftsstrafkammer) ist vom Gericht gem. § 16 Satz 1 StPO bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens von Amts wegen zu prüfen. Danach darf das Gericht seine Unzuständigkeit gem. § 16 Satz 2 StPO nur noch auf Einwand des Angeklagten aussprechen; dieser kann den Einwand nur bis zum Beginn der Vernehmung zur Sache geltend machen (§ 6a Satz 3, § 16 Satz 3 StPO). Damit misst das Gesetz dieser nur zeitlich begrenzten Verfahrensvoraussetzung nicht die gleiche Bedeutung zu wie der sachlichen Zuständigkeit. Folgt das Gericht einem rechtzeitigen Einwand fälschlicherweise nicht, liegt ein absoluter Revisionsgrund (§ 338 Nr. 4 StPO) vor.
Rz. 96
Ist Anklage bei einem örtlich unzuständigen Gericht erhoben, hat dieses sich durch Beschluss, gegen den die StA Beschwerde gem. § 304 StPO einlegen kann, für unzuständig zu erklären; eine Ablehnung der Eröffnung gem. § 204 StPO erfolgt nicht. Die StA kann Anklage zu einem anderen Gericht erheben.
Rz. 97
Bei Feststellung der Unzuständigkeit nach Eröffnung des Hauptverfahrens oder in der Hauptverhandlung – auf rechtzeitigen Einwand des Angeklagten oder der StA – ist das Verfahren durch Beschluss (§ 206a StPO) bzw. durch Prozessurteil (§ 260 Abs. 3 StPO) einzustellen; nicht möglich ist nach h.M. eine Verweisung an das zuständige Gericht, da ansonsten ein eventuell der StA zustehendes Wahlrecht zwischen mehreren zuständigen Gerichten ausgeschlossen würde; eine gleichwohl vorgenommene Verweisung ist daher durch nachträgliche Zustimmung der StA und Erlass eines neuen Eröffnungsbeschlusses heilbar.
Ob das grundsätzliche Verbot einer Verweisung auch dann gilt, wenn das AG feststellt, dass ein anderes AG als AG i.S.d. § 391 AO zentral zuständig wäre, muss allerdings bezweifelt werden, da in diesem Fall ohnehin kein Wahlrecht der StA mehr bestünde.
Auch die Geltendmachung der örtlichen Unzuständigkeit in der Revision ist nur zulässig, wenn der Angeklagte den entsprechenden Einwand gem. § 16 Satz 3 StPO bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache in der Hauptverhandlung (§ 243 Abs. 4 Satz 2 StPO) geltend gemacht hat.
Rz. 98
Die örtliche Unzuständigkeit bei einzelnen Untersuchungshandlungen des Gerichtes (zum Begriff i.S.d. § 162 StPO s. Rz. 41; auch Beweiserhebungen nach §§ 223–225 StPO) berührt grds. deren Wirksamkeit nicht (§ 20 StPO).
Entsprechendes gilt für die Unzuständigkeit nach dem Geschäftsverteilungsplan (§ 22d GVG). Zur Revisibilität inhaltlicher Mängel der Geschäftsverteilung s. aber Rz. 81.
Rz. 99
Unwirksam sind jedoch Untersuchungshandlungen eines Richters, dessen Unzuständigkeit so offensichtlich ist, dass ihre Nichtbeachtung grob gesetzeswidrig ist. Das ist z.B. bei erkennbarer Willkür der Fall. Zur fragwürdigen Zuständigkeit des LG Bochum und der möglichen Nichtigkeit von Absprachen in den Liechtenstein-Fällen s. Rz. 78.