Rz. 536
"Verteidigung ist Kampf. Kampf um die Rechte des Beschuldigten im Widerstreit mit den Organen des Staates". Aber: Der Kampf muss nicht immer mit dem Schwert geführt werden.
Rz. 537
Anders als das Auftreten im Rahmen einer Durchsuchung glauben machen will, sind sich die staatlichen Ermittler der Fundiertheit des Vorwurfs oft alles andere als sicher. Bei diesen staatlichen Ermittlern handelt es sich typischerweise um Steuerfahnder. Anders als Polizisten und Staatsanwälte haben Steuerfahnder keine primär strafrechtliche, sondern eine steuerliche Orientierung; die meisten Steuerfahnder haben über Jahre die Mühlen einer auf Einigung angelegten Betriebsprüfung durchlaufen. Steuerfahnder sind oftmals einer Einigung durchaus zugeneigt, wenn denn das steuerliche Mehrergebnis in einer gut vertretbaren Relation zum Ermittlungsaufwand steht.
Rz. 538
Auch wenn nach den Regeln der AO der Steuerfahnder die Rolle eines steuerlichen Kriminalpolizisten ausfüllt (§ 404 AO), kommt ihm in der Praxis eine weitaus stärkere Bedeutung zu. Die wesentlichen Einigungen werden mit der Steufa getätigt. Zwar muss eine Einigung bei der StraBu, der StA und der Finanzverwaltung (§ 399 AO) Bestand haben. In aller Regel folgt der Sachbearbeiter der StraBu und auch das VeranlagungsFA der Steufa, diese hat in der Praxis eine sehr bestimmende Rolle. Eine frühzeitige Kommunikation mit der Steufa empfiehlt sich daher in aller Regel. Häufig wird man kooperative Absprachen für einen einvernehmlichen Verfahrensablauf/-abschluss finden können. Dies gilt bei primär steuerlichen Verfahren auch dann, wenn statt der Straf- und Bußgeldstelle die StA tätig ist.
Rz. 539
Der Steuerfahnder ist nicht der einzige Adressat einer (gebremsten) Kooperation. Sofern noch keine Strafverfahrenseinleitung stattgefunden hat, kann es sich in gleicher Weise anbieten, mit einem Betriebsprüfer sachdienliche Absprachen zu treffen. Vermeintlich strafbare Sachverhalte lassen sich ggf. als nicht strafbare, aber doch zu einem Steuermehrergebnis führende Vorgänge identifizieren. Oder die Betriebsprüfung hat noch nicht den gesamten Sachverhalt aufgeklärt und ist dem Abschluss einer sog. tatsächlichen Verständigung (dazu § 385 Rz. 1296 ff.) zugeneigt; dabei handelt es sich um einen steuerlichen Vergleich auf einen gemeinsam abgestimmten Sachverhalt, der sodann einer Besteuerung zugeführt wird. Da die tatsächliche Verständigung nicht auf einem bewiesenen Sachverhalt beruht – dann könnte er nicht Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung sein – kann sich daran kein Strafbarkeitsvorwurf anknüpfen. Dass man ggf. aus praktischen Gründen gleichwohl parallel zur tatsächlichen Verständigung einer Verfahrenseinstellung gem. § 153a StPO zustimmt, steht auf einem anderen Blatt. Dies wird häufig dann der Fall sein, wenn aus der Betriebsprüfung heraus bereits ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Dann werden die Gespräche nicht nur mit dem Betriebsprüfer, sondern auch mit dem zuständigen Bearbeiter beim FA für Steuerstrafsachen und Steufa bzw. der StA zu führen sein.
Rz. 540
Neben der begrenzten Kooperation mit den Ermittlern ist häufig auch eine ebenfalls durchaus zu begrenzende Kooperation mit dem bisherigen Steuerberater notwendig. Dies aus mehreren Gründen:
Rz. 541
Nicht immer, aber doch häufig, besteht zwischen dem Steuerberater und dem Mandanten eine über Jahre gewachsene Vertrauensbeziehung. Diese wird durch das Steuerstrafverfahren gestört. Zum einen meint der Mandant häufig, der Steuerberater habe doch alles gewusst und ihn nicht sachgerecht beraten. Auf der anderen Seite fühlt sich hier und da ein Steuerberater dadurch in seiner Ehre gekränkt, dass er vom Mandanten über das eine oder andere entscheidende Sachverhaltsdetail in Unkenntnis gelassen wurde. In dieser Situation ist die bis dahin gewachsene Vertrauensbeziehung oft gestört, so dass der Mandant seinen Verteidiger nicht voll und ganz von seiner auch gegenüber dem Steuerberater bestehenden Schweigepflicht entbinden mag. Es können also nicht stets alle Dinge offen und in Gänze mit dem bisherigen Steuerberater besprochen werden.
Rz. 542
Zu den Dingen, die keinesfalls mit dem Steuerberater besprochen werden dürfen, gehört eine etwaige Kenntnis des Verteidigers von steuerstrafrechtlichen Sachverhalten, die der Mandant auch künftig nicht abstellen will. Auch so etwas soll in der Praxis vorkommen. Für den Strafverteidiger ist diese Absicht des Mandanten kein rechtliches Problem, denn er vertritt ihn nur bei der Begrenzung der Folgen für die in der Vergangenheit begangenen Taten. In zukünftige Taten ist er nicht involviert. Würde man diese Absicht des Mandanten aber dem Steuerberater offenbaren, müsste der Steuerberater für die Zukunft seine Beratungsleistung einstellen, denn er würde sich – anders als der rein strafverteidigend tätige Anwalt – an den künftigen Steuerhinterziehungen des Mandanten beteiligen (§ 370 AO, § 27 StGB).
Rz. ...