a) Recht auf freie Verteidigerwahl
Rz. 16
Der vom Gesetz vorgesehene Regelfall ist der des Wahlverteidigers; nur ausnahmsweise ist ein sog. Pflichtverteidiger zu bestellen (dazu Rz. 31 ff.). Aufgrund des in einem Strafverfahren erforderlichen besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger geht die StPO grds. vom Vorrang der Wahlverteidigung aus und gewährt dem Beschuldigten das Recht, seinen Verteidiger selbst auszuwählen; dies gilt auch bei der gerichtlichen Bestellung eines Verteidigers in Fällen der notwendigen Verteidigung (vgl. § 142 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO, s. dazu Rz. 50).
Rz. 17
Das Recht auf freie Verteidigerwahl beinhaltet auch ein negatives Wahlrecht. Es steht im Belieben des Beschuldigten, ob er überhaupt einen Verteidiger wählen will oder nicht. Man spricht hier von der zulässigen oder, zutreffender ausgedrückt, freiwilligen Verteidigung (s. Rz. 131 ff.) Dieses Recht auf Nichtverteidigung entfällt allerdings im Falle notwendiger Verteidigung, dazu Rz. 31 ff., was mit dem aus Art. 6 EMRK folgenden Recht auf ein faires Verfahren und dem Recht, sich selbst verteidigen zu dürfen, vereinbar ist.
Rz. 18
Gemäß § 137 Abs. 1 StPO kann der Beschuldigte bis zu drei Verteidiger wählen und bestellen. Zu den Rechtsfolgen einer Überschreitung s. näher Rz. 161 ff.
Rz. 19– 20
Einstweilen frei.
b) Bestellung und Mandatsbeendigung
Ergänzender Hinweis:
Nr. 32 AStBV (St) 2023/2024; s. AStBV Rz. 32.
Rz. 21
Die Bestellung des Wahlverteidigers erfolgt, indem dieser die ihm vom Beschuldigten erteilte Vollmacht (s. Rz. 656 ff.) bei den Ermittlungsbehörden anzeigt. Im Fall der Bestellung einer "anderen Person" i.S.d. § 138 Abs. 2 StPO – also einer Person, die weder Rechtsanwalt etc. (§ 138 Abs. 1 StPO) noch Steuerberater etc. (§ 392 Abs. 1 AO, § 138 Abs. 1 StPO) ist – bedarf die Bestellung ferner der Genehmigung durch das Gericht (s. hierzu näher Rz. 126 f.).
Rz. 22
Der Wahlverteidiger kann – im Gegensatz zum Pflichtverteidiger – für den Fall seiner Verhinderung auch eine Untervollmacht an eine andere zur Verteidigung berechtigte Person erteilen, wenn der Beschuldigte ihn hierzu ermächtigt hat.
Rz. 23
Die Bestellung des Wahlverteidigers erstreckt sich grds. auf das gesamte Strafverfahren vom Ermittlungsverfahren über die Hauptverhandlung einschließlich eines Adhäsionsverfahrens bis zur Strafvollstreckung und endet durch Widerruf der Vollmacht durch den Beschuldigten oder Mandatsniederlegung durch den Verteidiger, wobei auch eine Niederlegung zur Unzeit (z.B. unmittelbar vor der Hauptverhandlung) zwar standeswidrig sein und u.U. Schadensersatzansprüche gegen den Verteidiger auslösen kann, nicht aber unzulässig ist.
Rz. 24
Aus Gründen gerichtlicher Fürsorgepflicht muss dem Beschuldigten in diesem Fall allerdings unmittelbar vor oder während der Hauptverhandlung Gelegenheit zur Bestellung eines neuen Verteidigers gegeben werden und dies insoweit auch bei der Terminierung und Anträgen auf Unterbrechung oder Aussetzung des Verfahrens Berücksichtigung finden, ansonsten kann mit der Revision erfolgreich eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung gem. § 338 Nr. 8 StPO gerügt werden.
Rz. 25
Bei bereits lange andauerndem Hauptverfahren, wie es in steuerstrafrechtlichen Umfangsverfahren gang und gäbe ist, kann ein nicht vorhersehbarer Verteidigerwechsel (z.B. wegen unüberbrückbarer Differenzen zwischen Verteidiger und Mandant) problematisch werden. In diesem Fall benötigt der vom Angeklagten neu bestellte Verteidiger entsprechend lange Zeit für die Einarbeitung in den Prozessstoff. Unter Umständen reichen die gesetzlich bestimmten Unterbrechungsfristen (§ 229 StPO: drei Wochen bzw. einen Monat) hierzu nicht aus (s. dazu § 385 Rz. 733 ff.), so dass schlimmstenfalls das Verfahren "platzt" und völlig neu aufgerollt werden muss (zur Aussetzung der Verhandlung, § 228 StPO, s. § 385 Rz. 738 ff.).
Rz. 26
Beim Tod des Beschuldigten endet die Vollmacht nicht automatisch.
Rz. 27
Wird der Verteidiger zum Pflichtverteidiger bestellt (s. Rz. 52), endet die Wahlverteidigung.
Rz. 28– 30
Einstweilen frei.