Rz. 636
Das erste Gespräch mit dem Mandanten ist zumeist der Dreh- und Angelpunkt einer vertrauensvollen künftigen Zusammenarbeit. Ohne Vertrauensverhältnis, wird man die Verteidigung zumeist nicht erfolgversprechend durchführen können.
Rz. 637
Der Verteidiger ist aber für den Mandanten ein Fremder. Um sich in einer fremden Situation abzusichern, bedienen sich die Mandanten häufig mitgebrachter Vertrauenspersonen. Dies mag der Ehepartner, Lebensgefährte, Geschäftspartner oder auch der Steuerberater sein. Für den Mandanten ist es oft sehr wichtig, dass diese Personen ihn bei dem Gespräch begleiten.
Rz. 638
Der Berater muss aber – von Anfang an – mögliche Gefahren von seinem (potentiellen) Mandanten abhalten, dies auch schon im Zeitpunkt der Mandatsanbahnung. In der Regel kommen in der Besprechung Dinge auf den Tisch, die die Begleitperson (so noch) nicht kannte. Es wird also ein potentieller Zeuge der Anklage produziert. Dies, obgleich man nicht weiß, ob der Begleitperson Auskunfts- oder Zeugnisverweigerungsrechte zustehen und/oder ob diese im späteren Verlauf des Verfahrens von ihren Rechten Gebrauch machen würde; hält die Ehe, das Verlöbnis etc. die Verfahrensbelastungen durch?
Rz. 639
Dies gilt auch für den steuerlichen (Alt-)Berater des Mandanten. Er kann nur dann voll und ganz in das Verfahren einbezogen werden, wenn der Mandant bereit ist, bei künftigen Erklärungen keine im Beratungsgespräch offengelegten Einnahmen zu verheimlichen. Dies ist im Verteidigungsmandat noch problematischer als im Präventivmandat, denn das Ermittlungsverfahren kann und wird sich häufig über den nächsten Steuererklärungszeitpunkt hinziehen und schon zu diesem Zeitpunkt müsste ein möglicher Dauersachverhalt im Rahmen der Steuererklärung mitberücksichtigt werden (zur Verwertbarkeit dieser Angaben vgl. § 393 Rz. 123 f.). Zur Frage, ob der (Alt-)Steuerberater in ein Verteidigungsteam eingebunden werden kann oder sollte, s. Rz. 746 f.
Rz. 640
Der Mandant soll zunächst aus seiner Sicht den Fall schildern. Hilfreich ist es, wenn dazu die oben (Rz. 582 ff.) angesprochenen Unterlagen hinzugezogen werden können. Der weitere Verlauf des Gesprächs hängt davon ab, ob es sich um ein Präventivmandat oder um ein "echtes" Verteidigungsmandat handelt.
Rz. 641
Soweit es sich um ein Präventivmandat handelt, wird bereits das erste Gespräch sehr in die Tiefe gehen müssen um schnell agieren zu können. Dies, weil mit jedem verstreichenden Tag die Gefahr einer Tatentdeckung und damit Unmöglichkeit strafbefreiender Nacherklärung andauert.
Rz. 642
Geht es hingegen um ein "echtes" Verteidigungsmandat, ist das Strafverfahren also bereits mitgeteilt, wird das erste Gespräch nicht notwendigerweise die gleiche Tiefe haben müssen, denn sachgerechte Verteidigung setzt Kenntnis der Ermittlungsakten voraus. Diese werden bei Steuerstrafverfahren zumeist zeitnah überlassen (zur Akteneinsicht vgl. Rz. 391 ff.). Neben einem grundsätzlich ersten Einstieg in den Fall sollte der Verteidiger dem Mandanten den grundsätzlichen Verfahrensablauf beschreiben und klären, ob es jenseits der eingeleiteten Taten weitere Bereiche gibt, die risikobehaftet sind und sich möglicherweise – sehr selten – noch mittels zeitnaher Nacherklärung strafrechtlich bereinigen lassen oder im Rahmen der Verteidigungsbemühung nach Möglichkeit verborgen bleiben sollten.
Rz. 643
Die Führung eines Mandats in Steuerstrafsachen sollte auf Basis umfassender Angaben des Mandanten zum Sachverhalt basieren. Zwar kann Strafverteidigung grds. auch sachgerecht erfolgen, wenn man sich auf die Aktenlage und diesbezüglich ergänzende Informationen des Mandanten beschränkt. Die Voraussetzung einer guten Verteidigung ist kein Geständnis des Mandanten gegenüber dem Verteidiger, der Mandant muss sich das Vertrauen des Verteidigers nicht durch ein mea culpa verdienen. Verteidigung gründet nicht auf Schuld und Sühne, sondern auf einer rationalen Analyse, ob die ermittelten Tatsachen in strafprozessual verwertbarer Form eine bestimmte Tat nachweisen und wie sich dieser Nachweis ggf. erschüttern lässt.
Rz. 644
Jedoch sind in die verfahrensrelevanten Steuersachverhalte regelmäßig mehrere Personen involviert.
Beispiele
Der Mandant hat ohne Rechnung an einen oder eine Vielzahl von Kunden verkauft. Ein anderer hat ihm eine Abdeckrechnung ausgestellt. Der Buchhalter weiß, dass nicht jede Einnahme erfasst wurde. Die Sekretärin hat private Rechnungen für die Buchhaltung entgegengenommen. Ein entlassener Arbeitnehmer weiß, dass die 400-Euro-Kräfte am Ende des Monats bare Zuzahlungen erhalten. Diverse Einkäufer haben zur Verbesserung der Geschäftsbeziehung Gelder erhalten. Die Gelder wurden im Unternehmen in einer speziellen schwarzen Kasse verwahrt. Von dieser Kasse wussten nicht nur ein Verkäufer, sondern viele. Die Beispiele ließen sich endlos fortsetzen.
Rz. 645
All diese und mehr Sachverhalte s...