a) Staatsanwaltschaftliches/gerichtliches Steuerstrafverfahren
Rz. 91
"Im Übrigen" lässt das Gesetz in § 392 Abs. 1 Halbs. 2 AO die Führung der Verteidigung durch einen Steuerberater etc. nur in Gemeinschaft mit einem Rechtsanwalt oder Rechtslehrer zu (s. Rz. 251). Einer Genehmigung der Mitverteidigung durch das Gericht bedarf es hier nicht. Eine gemeinsame Verteidigung ist im Übrigen generell im Steuerstrafverfahren – also auch bereits im Ermittlungsverfahren – angeraten (s. Rz. 736 ff.).
Rz. 92
Wie sich aus der Gegenüberstellung zu § 392 Abs. 1 Halbs. 1 AO ergibt, gilt diese Regelung für die Bereiche des staatsanwaltschaftlichen und des gerichtlichen Verfahrens, nicht jedoch im Vollstreckungsverfahren.
Rz. 93
Aus der Systematik der Norm folgt zudem, dass es sich um ein Steuerstrafverfahren handeln muss. Die Verteidigungsbefugnis des steuerlichen Beraters ist daher – außerhalb gerichtlicher Genehmigung (Rz. 81 ff.) – grds. auf Steuerstraftaten und -ordnungswidrigkeiten beschränkt (s. Rz. 66 ff.).
Rz. 94
Das Recht der (Mit-)Verteidigung nach § 392 AO besteht auch in den Fällen der Tateinheit (§ 52 StGB) zwischen Steuerstraftat und nicht steuerstrafrechtlicher Tat, da nur auf eine Strafe zu erkennen ist, sowie bei Tatmehrheit (§ 53 StGB), wenn es sich um eine prozessuale Tat i.S.d. § 264 StPO handelt (s. dazu § 370 Rz. 867), da auch dann eine getrennte Aburteilung wegen der Bildung einer Gesamtstrafe nicht möglich ist. Allerdings ist der steuerliche Berater in diesen Fällen grds. nur bzgl. der Steuerstraftaten verteidigungsbefugt (s. aber Rz. 66 ff.).
Rz. 95
Bei einem Zusammentreffen von einer Steuerstraftat und einer nicht steuerstrafrechtlichen Tat ist eine Beschränkung der (Mit-)Verteidigung durch den Berufsangehörigen auf die Steuerstraftat dagegen geboten, wenn das allgemeine Delikt im Verhältnis zur Steuerstraftat eine materiell- und verfahrensrechtlich selbständige Tat, also keine Tat i.S.d. § 264 StPO (hierzu näher § 370 Rz. 867), darstellt und lediglich aus Zweckmäßigkeitserwägungen in einem Strafverfahren erledigt oder vom Gericht gem. § 4 StPO verbunden wird. Ebenso endet die (Mit-)Verteidigungsbefugnis des Berufsangehörigen nach § 392 AO, wenn die Steuerstraftat durch Teileinstellung nach § 154 StPO oder durch beschränkte Strafverfolgung nach § 154a StPO ausscheidet.
Rz. 96
Die (Mit-)Verteidigungsbefugnis des Steuerberaters besteht jedoch auch in den Fällen, in denen andere allgemeine Straftaten mit Steuerstraftaten in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen. Das sind vorwiegend Taten nach § 266a StGB, in denen neben dem Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen regelmäßig auch die fällige Lohnsteuer nicht angemeldet und abgeführt wird. Die Ermittlungen führt dann die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Strafverfolgungsbehörde ist die StA.
Rz. 97
Der Steuerberater etc. ist auch bzgl. dieser Taten, wenn auch nicht gem. § 392 Abs. 1 Halbs. 2 AO, so doch mit gerichtlicher Genehmigung gem. § 392 Abs. 2 AO i.V.m. § 138 Abs. 2 StPO verteidigungsbefugt.
Rz. 98– 100
Einstweilen frei.
b) Eigene Rechte des steuerlichen Beraters
Rz. 101
Die Berufsangehörigen haben auch bei gemeinschaftlicher Verteidigung gem. § 392 Abs. 1 Halbs. 2 AO dem Grunde nach dieselben Rechte wie die gemeinschaftlichen Verteidiger i.S.d. § 138 Abs. 2 StPO (s. dazu Rz. 126 ff.). Umstritten ist jedoch, wie weit die Autonomie des steuerlichen Mitverteidigers reicht.
Rz. 102
Unzweifelhaft stehen dem Berufsangehörigen uneingeschränkt die grundlegenden Befugnisse eines Verteidigers zu, namentlich
- das Verkehrsrecht mit dem Beschuldigten (§ 148 StPO, s. Rz. 356 ff.),
- das Recht auf Akteneinsicht (s. Rz. 391 ff.),
- Anwesenheits- und Erklärungsrechte (s. Rz. 371 ff.),
- das Recht auf eigene Ermittlungen (s. Rz. 491 ff.),
- das Fragerecht in der Hauptverhandlung,
- das Recht zum Plädoyer.
Rz. 103– 105
Einstweilen frei.