Rz. 656
Die üblichen Formular-Vollmachten genügen oft nicht. Der Strafverteidiger hat eine Strafprozessvollmacht. Der steuerliche Berater hat eine Steuervollmacht. Der Steuerstrafverteidiger braucht – inhaltlich – beide Vollmachten, denn er ist mit zwei Verfahren konfrontiert. Dies gilt auch bei einem präventiven Mandat, denn der Abgabe der Selbstanzeige folgt in aller Regel neben dem Steuerbescheid auch eine Einleitungsmitteilung. Ob die Vollmacht für das Steuerverfahren und die Vollmacht für das Strafverfahren in einer oder getrennt in zwei Urkunden erteilt wird, ist Geschmacksfrage und teilweise auch von den Befindlichkeiten des Mandanten abhängig.
Rz. 657
Die Verwendung zweier Vollmachten hat den Vorteil, dass man nach außen, insbesondere wenn man ergänzende Informationen bei Dritten, z.B. Banken, einholen muss, neutraler auftreten kann. Die Mandanten möchten ggf. nicht, dass man sie nach außen mit einem Strafverfahren in Verbindung bringt. Auch werden Auskünfte teilweise zurückhaltender erteilt, wenn ein strafrechtlicher Bezug offensichtlich ist. Mit der Abwehr von Steueransprüchen in Verbindung gebracht zu werden, ist hingegen nicht ehrenrührig und die Adressaten sind eher auskunftsbereit.
Rz. 658
Die Vorlage zweier Vollmachten im ersten Beratungsgespräch erweist sich aber teilweise als problematisch. Schon der Text einer typischen Vollmacht kann einen sie lesenden Mandanten erschrecken. Soll er dann noch mehrere Vollmachten unterschreiben, ggf. sogar zusätzlich noch eine Mandatsvereinbarung (s. Rz. 666 ff.), kann er sich schnell überfordert fühlen. In derartigen Fällen mag man sich zunächst auch mit dem schlichten Satz begnügen: "Hiermit erteile ich ... Herrn Rechtsanwalt ... Vollmacht zur Regelung der Angelegenheit ..." oder man verzichtet zunächst überhaupt auf eine schriftliche (!) Vollmacht. Es besteht – jedenfalls zunächst – weder eine Pflicht, eine Vollmacht vorzulegen, noch bestehen für eine Vollmacht irgendwelche Formvorschriften; es besteht (Ausnahme: Abwesenheitsvertretung, §§ 329, 411 StPO) insbesondere kein Schriftformerfordernis. Gegenüber dem Mandanten sollte dann aber die von ihm erteilte Vollmacht dokumentiert werden, etwa mittels eines Mandatsbestätigungsschreibens.
Rz. 659
Regelmäßig genügt den Ermittlungsbehörden das Bestellungsschreiben des Verteidigers als Nachweis seiner Bevollmächtigung.
Rz. 660
Teilweise akzeptiert auch das FA den bloßen Hinweis auf die erteilte Vollmacht, teilweise fordert es auch nachträglich eine Vollmacht an. Fordert es keine Vollmacht, kommuniziert aber am Berater vorbei mit dem Mandanten, wird man mit Hinweis auf § 83 Abs. 3 AO eine schriftliche Vollmacht nachreichen; die FÄ sind dann gehalten, sich unmittelbar an den Berater zu wenden. Zu diesem Zeitpunkt kann dann immer noch überlegt werden, welche Art von Vollmacht eingereicht wird.
Rz. 661
Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, eine schriftliche Vollmacht zur Akte zu reichen, da sowohl für die Zustellungsvollmacht (§ 145a StPO) als auch für eine Reihe weiterer Verfahrensmaßnahmen, bei denen der Verteidiger zugleich Vertreter des Beschuldigten ist (z.B. § 234 StPO: Verfahren gegen Abwesende; § 350 Abs. 2 StPO: Revisionsverhandlung; § 411 Abs. 2 StPO: Hauptverhandlung nach Einspruch gegen Strafbefehl) die Bestellung aktenkundig zu machen ist. Unabhängig davon, in welcher Art und Form die Vollmacht erteilt wird, ist zu beachten, dass eine auf die Sozietät ausgestellte Vollmacht hinsichtlich des strafrechtlichen Mandats unwirksam sein kann, sobald mehr als drei Rechtsanwälte/Steuerberater bevollmächtigt werden; gem. § 137 StPO ist die Anzahl der Wahlverteidiger limitiert (Rz. 161 ff.). Pflichtverteidiger (s. Rz. 31 ff.) können vom Gericht ergänzend bestellt werden. Die erteilte Vollmacht gilt auch über den Tod des Beschuldigten hinaus.
Rz. 662– 665
Einstweilen frei.