I. Allgemeines
Rz. 351
Die Aufgaben und Rechte des Verteidigers ergeben sich zunächst allgemein aus der Rechtsstellung des Verteidigers im Strafverfahren und den damit verbundenen Pflichten (s. Rz. 251) sowie dem übernommenen Mandatsumfang (vgl. Rz. 666 ff.).
Rz. 352
Bei der Wahrnehmung und inhaltlichen Ausgestaltung der Verteidigung ist der Verteidiger als unabhängiges – wenn auch einseitig agierendes – Organ der Rechtspflege zwar grds. frei, d.h. sie liegt in seinem eigenen Ermessen. Bei seiner Ermessensausübung hat er allerdings dem Interesse des Beschuldigten uneingeschränkten Vorrang einzuräumen. Soweit jedoch die vom Verteidiger beabsichtigte "Verteidigungsstrategie" im grundsätzlichen Widerspruch zu den Vorstellungen des Beschuldigten steht, wird sich die Frage ergeben, ob das für eine sachgerechte Verteidigung unabdingbare Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem besteht und es nicht angeraten erscheint, eine Niederlegung des Mandats anzubieten.
Rz. 353– 355
Einstweilen frei.
II. Einzelne Rechte des Verteidigers
1. Verkehrsrecht mit dem Beschuldigten
Rz. 356
Der uneingeschränkte Verkehr zwischen Verteidiger und Beschuldigtem gehört zu den unabdingbaren Voraussetzungen jeder Strafverteidigung in einem Rechtsstaat und ist in § 148 StPO ausdrücklich festgeschrieben. Eine "konkrete und wirkliche" Verteidigung, insbesondere eine hinreichende Beratung, ist nur gewährleistet, wenn der Verteidiger jederzeit zu dem Beschuldigten unüberwachten und persönlichen Kontakt aufnehmen kann, und zwar grds. frei von jeder Behinderung oder Erschwerung. Nach § 148 Abs. 1 StPO ist sowohl der schriftliche als auch der mündliche Verkehr zwischen dem Verteidiger und dem Beschuldigten unbeschränkt zulässig, unabhängig davon, ob der Beschuldigte inhaftiert ist oder sich auf freiem Fuß befindet. Zum uneingeschränkten mündlichen Kontakt gehört auch die unüberwachte Telekommunikation (s. Rz. 326 ff.). Dem Verteidiger ist dieser uneingeschränkte Verkehr aber nur zum Zweck der Verteidigung im Vertrauen auf seine Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege und darauf, dass er die ihm insoweit eingeräumten Rechte nicht missbraucht, gestattet.
Rz. 357
Die Verweigerung einer Verteidigerkonsultation führt zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der insoweit erlangten Beweise. Eine entsprechende Behinderung liegt schon dann vor, wenn keine diesbezügliche Belehrung (vgl. § 136 StPO) stattfindet oder eine Vernehmung trotz des geäußerten Wunsches, einen Verteidiger hinzuzuziehen, fortgesetzt wird.
Rz. 358
Generell unzulässig ist das Abhören des Telefonanschlusses des Verteidigers (s. dazu bereits Rz. 330 ff.).
Rz. 359
Auch der Verkehr mit inhaftierten Beschuldigten ist gem. § 148 Abs. 1 StPO grds. unbeschränkt. Die Beschränkungsmöglichkeiten nach § 119 StPO bestehen insoweit nicht (§ 119 Abs. 4 Satz 1 StPO). Die möglichen Beschränkungen durch Kontrolle des Schriftverkehrs nach § 148 Abs. 2 StPO oder die Kontaktsperre betreffend terroristische Straftaten sind im Steuerstrafverfahren ohne Bedeutung.
Rz. 360
Der Schriftverkehr zwischen Beschuldigtem und Verteidiger darf somit weder in seinem Umfang beschränkt noch inhaltlich überwacht werden (vgl. z.B. § 22 UVollzG NW; § 29 Abs. 2 Satz 1 StVollzG NW). Der Beschuldigte darf also Verteidigerpost verschlossen zur Beförderung aufgeben, die dem Verteidiger ungeöffnet auszuhändigen ist. Als Verteidigerpost bezeichnete Schreiben des Verteidigers sind ihm ungeöffnet auszuhändigen. Eine Briefkontrolle darf sich also allenfalls darauf beziehen, ob es sich nach den äußeren Merkmalen um einen Schriftwechsel mit dem Verteidiger handelt, dieser also ordnungsgemäß als Verteidigerpost gekennzeichnet ist. Selbst aus Sicherheitsgründen ist eine Öffnung der Verteidigerpost zu diesem Zweck nicht statthaft.
Rz. 361
Ebenso ist eine Beschlagnahme der Post des Verteidigers an den Beschuldigten nach § 148 Abs. 1 StPO grds. ausgeschlossen, sofern nicht gewichtige Anhaltspunkte für eine Beteiligung des Verteidigers an der dem Beschuldigten zur Last gelegten Steuerstraftat vorliegen, so dass die Unterlagen entweder als Beweismittel gegen den Beschuldigten oder für ein Strafverfahren gegen den Verteidiger oder für das Ausschließungsverfahren nach §§ 138a ff. StPO von Bedeutung sein können. Allerdings ist eine Durchsicht darauf, ob es sich um Verteidigungsunterlagen handelt, zulässig. Dies muss aber im Regelfall vor Ort und nicht im Wege § 110 StPO (Mitnahme zwecks Sichtung) erfolgen; für eine Mitnahme zur Durchsicht ist die Staatsanwaltschaft begründungspflichtig.
Rz. 362
Das Besuchsrecht des Verteidigers in der Haftanstalt ist ebenfalls grds. unbeschränkt und nur organisatorisch an die anstaltsüblichen Besuchszeiten gebunden. Ab- oder Durchsuchungen des Verteidigers durch d...