1. Überblick
Rz. 11
(So genannte geborene) Verteidiger gem. § 138 Abs. 1 StPO sind die bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwälte sowie Rechtslehrer an deutschen Hochschulen (= Universitäten, wie z.B. Universitätsprofessoren, Honorarprofessoren, Privatdozenten). Verteidigung ist ein persönliches Mandat, so dass der einzelne Anwalt, nicht die Sozietät des Anwalts, Verteidiger ist. Seine Wahl bedarf keiner Genehmigung oder Zulassung durch das Gericht gem. § 138 Abs. 2 StPO (vgl. § 3 BRAO) und wird lediglich zahlenmäßig (max. drei Wahlverteidiger, § 137 Abs. 1 StPO) oder aufgrund anderer enumerativer Ausschlussgründe (s. Rz. 156 ff., z.B. Tatbeteiligung) limitiert.
Rz. 12
Der Wahlverteidiger, nicht aber der Pflichtverteidiger, kann die Verteidigung auch auf einen Rechtsreferendar mit einer Ausbildung von einem Jahr und drei Monaten übertragen. Dazu bedarf es nur der Zustimmung des Angeklagten, nicht aber der des Gerichts.
Rz. 13
Dem Syndikusanwalt ist eine Verteidigung des Arbeitgebers und dessen gesetzlicher Vertreter (Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer, persönlich haftende Gesellschafter) im Zwischen- und Hauptverfahren nach § 46 BRAO gesetzlich verboten und im Ermittlungsverfahren nur dann erlaubt, wenn seine Unabhängigkeit gewahrt bleibt. Gleichwohl sollten aber auch in diesen Fällen sowohl der Beschuldigte als auch der Syndikusanwalt aus den in Rz. 540 ff. angeführten Gründen, die auch hier sinngemäß gelten, abwägen, ob eine Verteidigung durch den Syndikusanwalt zweckmäßig erscheint.
Rz. 14– 15
Einstweilen frei.
2. Wahlverteidigung
a) Recht auf freie Verteidigerwahl
Rz. 16
Der vom Gesetz vorgesehene Regelfall ist der des Wahlverteidigers; nur ausnahmsweise ist ein sog. Pflichtverteidiger zu bestellen (dazu Rz. 31 ff.). Aufgrund des in einem Strafverfahren erforderlichen besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger geht die StPO grds. vom Vorrang der Wahlverteidigung aus und gewährt dem Beschuldigten das Recht, seinen Verteidiger selbst auszuwählen; dies gilt auch bei der gerichtlichen Bestellung eines Verteidigers in Fällen der notwendigen Verteidigung (vgl. § 142 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO, s. dazu Rz. 50).
Rz. 17
Das Recht auf freie Verteidigerwahl beinhaltet auch ein negatives Wahlrecht. Es steht im Belieben des Beschuldigten, ob er überhaupt einen Verteidiger wählen will oder nicht. Man spricht hier von der zulässigen oder, zutreffender ausgedrückt, freiwilligen Verteidigung (s. Rz. 131 ff.) Dieses Recht auf Nichtverteidigung entfällt allerdings im Falle notwendiger Verteidigung, dazu Rz. 31 ff., was mit dem aus Art. 6 EMRK folgenden Recht auf ein faires Verfahren und dem Recht, sich selbst verteidigen zu dürfen, vereinbar ist.
Rz. 18
Gemäß § 137 Abs. 1 StPO kann der Beschuldigte bis zu drei Verteidiger wählen und bestellen. Zu den Rechtsfolgen einer Überschreitung s. näher Rz. 161 ff.
Rz. 19– 20
Einstweilen frei.
b) Bestellung und Mandatsbeendigung
Ergänzender Hinweis:
Nr. 32 AStBV (St) 2023/2024; s. AStBV Rz. 32.
Rz. 21
Die Bestellung des Wahlverteidigers erfolgt, indem dieser die ihm vom Beschuldigten erteilte Vollmacht (s. Rz. 656 ff.) bei den Ermittlungsbehörden anzeigt. Im Fall der Bestellung einer "anderen Person" i.S.d. § 138 Abs. 2 StPO – also einer Person, die weder Rechtsanwalt etc. (§ 138 Abs. 1 StPO) noch Steuerberater etc. (§ 392 Abs. 1 AO, § 138 Abs. 1 StPO) ist – bedarf die Bestellung ferner der Genehmigung durch das Gericht (s. hierzu näher Rz. 126 f.).
Rz. 22
Der Wahlverteidiger kann – im Gegensatz zum Pflichtverteidiger – für den Fall seiner Verhinderung auch eine Untervollmacht an eine andere zur Verteidigung berechtigte Person erteilen, wenn der Beschuldigte ihn hierzu ermächtigt hat.
Rz. 23
Die Bestellung des Wahlverteidigers erstreckt sich grds. auf das gesamte Strafverfahren vom Ermittlungsverfahren über die Hauptverhandlung einschließlich eines Adhäsionsverfahrens bis zur Strafvollstreckung und endet durch Widerruf der Vollmacht durch den Beschuldigten oder Mandatsniederlegung durch den Verteidiger, wobei auch eine Niederlegung zur Unzeit (z.B. unmittelbar vor der Hauptverhandlung) zwar standeswidrig sein und u.U. Schadensersatzansprüche gegen den Verteidiger auslösen kann, nicht aber unzulässig ist.
Rz. 24
Aus Gründen ger...