1. Schnelle Terminvereinbarung
Rz. 576
Bereits im Rahmen des ersten steuerstrafrechtlichen Grundsatzes "Vermeide das Strafmandat" (Rz. 516 ff.) wurde darauf hingewiesen, dass in der Übernahmesituation rasche und verfahrenswegweisende Prüfungen erforderlich sind: Besteht die Möglichkeit des Exits durch Nacherklärung? Für eine solche Prüfung sind Unterlagen erforderlich. Daneben sind weitere Punkte unmittelbar im Zeitpunkt des Mandatsbeginns zu klären.
Rz. 577
Ähnlich wie im Falle der Mandatierung bei laufenden Durchsuchungen oder U-Haft sollten eingehende Steuerstrafmandate auch außerhalb dieser beiden Fälle absolut prioritär behandelt werden. Der Anwalt/Berater muss unmittelbar selbst über die Notwendigkeit einer sofortigen Besprechung entscheiden. Im Idealfall sollte ein erster Besprechungstermin am gleichen Tag stattfinden. Das wird längst nicht immer möglich sein, doch besteht jeden Tag die Möglichkeit einer Tatentdeckung und dadurch die Gefahr der Unmöglichkeit eines Exits durch Nacherklärung.
Rz. 578
Eine schnelle Terminierung gibt zudem Gelegenheit, die Gefahren etwaiger Zwangseingriffe zu klären. So kann man sich Strategien überlegen, wie bei einer drohenden Durchsuchung der Geschäftsbetrieb möglichst ungestört weiterlaufen kann. Auch können Überlegungen angestellt werden, wie bei drohendem Arrest (dazu § 399 Rz. 450 ff.) eine insolvenzvermeidende Illiquidität verhindert werden kann. Zudem kann man der Gefahr eines drohenden Entzugs von Unterlagen vorbeugen; so könnte man vorsorgend potentiell problematische Unterlagen getrennt aufbewahren und/oder von diesen ergänzende Kopien für die spätere Verteidigung fertigen. In geeigneten Fällen mag man dies – zwecks Abwendung einer konkret drohenden Durchsuchung – den Ermittlungsbehörden auch mitteilen. Schließlich kann man Mitarbeiter für den Fall der Durchsuchung schulen (vgl. Rz. 635).
Rz. 579– 580
Einstweilen frei.
2. Unterlagen des ersten Zugriffs
Rz. 581
Ob eine zeitnahe Nacherklärung möglich und erforderlich ist, wird sich nur dann sachgerecht prüfen lassen, wenn dem Verteidiger einige Informationen/Unterlagen vorliegen. Der Mandant sollte daher gebeten werden, zur Besprechung (soweit möglich) die folgenden Unterlagen mitzubringen (oder zeitnah nachzuliefern):
Rz. 582
Steuererklärungen des Mandanten der letzten 13 Jahre: §§ 370, 378 AO sind Erklärungsdelikte. Der Tatvorwurf liegt in der fehlerhaften Steuererklärung, also wird das Tatmittel zur Beurteilung eines Tatvorwurfs benötigt. Benötigt wird eine Kopie der eingereichten Steuererklärung nebst Anlagen und/oder Begleitschreiben, denn diese sind erläuternder Bestandteil der Erklärung. Aus der Kopie geht regelmäßig hervor, ob bei der Abgabe der Steuererklärung ein Steuerbüro mitgewirkt hat. Damit hat man bereits einen Ansprechpartner für Zweifelsfragen. Aus der Kopie könnte auch hervorgehen, wer – wo dies noch erforderlich war – aufseiten des Mandanten die Erklärung unterzeichnet hat. Falls dies nicht der Fall ist und auch das Steuerbüro nicht weiterhelfen kann, wird man erst im weiteren Verlauf anhand der beim FA eingereichten Originalerklärung überprüfen können, ob der Mandant die (falsche) Erklärung überhaupt unterzeichnet/abgegeben hat.
Rz. 583
Der Zeitraum von 13 Jahren erklärt sich aus der steuerlichen Verjährungsfrist für hinterzogene Steuern (10 Jahre, § 169 AO) nebst Anlauffrist (drei Jahre, § 170 AO). Abgesehen von Schenkungsfällen (§ 170 Abs. 5 AO), Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung (§ 169 Abs. 2 Satz 2, § 170 Abs. 7, § 376 AO) und Fällen mit Kapitalerträgen aus Drittstaaten (§ 170 Abs. 6 AO) ist damit der maximale verfahrensrelevante Zeitraum erfasst.
Rz. 584
Steuerbescheide der letzten 13 Jahre: Der Mandant wird aufgefordert, für den gesamten 13-Jahres-Zeitraum die Steuerbescheide mitzubringen. Relevant sind zumeist nur der für den Veranlagungszeitraum jeweils erste und letzte Steuerbescheid. Anhand des Datums des ersten Steuerbescheids ist zu berechnen, ob der Veranlagungszeitraum bereits strafrechtlich verjährt ist. Dies setzt selbstverständlich voraus, dass – wie im Regelfall – die Steuerhinterziehungshandlung bereits mit der Steuererklärung und nicht erst später – z.B. durch falsche Angaben in einem FG-Prozess – verwirklicht wurde. Der letzte Steuerbescheid wird benötigt, um die nachzuzahlende Summe bzw. die für die Wirksamkeit der Selbstanzeige notwendige Liquidität zu berechnen.
Rz. 585
Informationen/Unterlagen zu den nicht erklärten Einnahmen: Auch zu den nicht erklärten Einnahmen kann es Belege/Unterlagen geben, die der Mandant übergeben sollte. Sofern dies nicht der Fal...