Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
a) "Tatsachen" und "Beweismittel"
Rz. 187
Schutzobjekt im Sinne dieser Vorschrift sind Tatsachen und Beweismittel, die der Stpfl. der FinB vor Einleitung oder in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart hat, soweit sie der StA oder dem Gericht in einem Strafverfahren aus den Steuerakten bekannt werden.
Rz. 188
Tatsachen sind Geschehnisse der Innen- und Außenwelt, die dem Beweis zugänglich sind.
Rz. 189
Als Beweismittel i.S.v. § 92 AO kommen in Betracht eigene Angaben des Stpfl., die von ihm vorgelegten Urkunden (Handelsbücher, Aufzeichnungen, sonstige Schriftstücke) sowie die von ihm im Besteuerungsverfahren benannten Auskunftspersonen (Zeugen, Sachverständige, Banken, Behörden).
Rz. 190
Es muss sich um Tatsachen oder Beweismittel handeln, die der Stpfl. offenbart hat. Beweismittel, die nicht durch eine Erklärung des Stpfl., sondern auf andere Weise (z.B. polizeiliche Ermittlungen) in die Steuerakten gelangt sind, werden nicht von dem Beweisverwertungsverbot erfasst.
b) "Offenbarung" gegenüber der FinB
Rz. 191
Offenbart ist eine Tatsache oder ein Beweismittel, wenn der Stpfl. sie der FinB mitgeteilt hat. Das trifft sicher zu, wenn der Stpfl. eigene Erklärungen im Besteuerungsverfahren abgegeben hat. Erfasst sind ebenso die vom Stpfl. vorgelegten oder überreichten Urkunden, wie z.B. Handelsbücher, Aufzeichnungen, Belege und sonstige Schriftstücke. Die Vorschrift ist im Übrigen weit auszulegen und erfasst alles, was der Stpfl. zumindest durch eigenes Zutun oder auch nur durch bloßes Dulden der Einsichtnahme der FinB zur Kenntnis gebracht oder dieser die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft hat (z.B. durch Benennung einer Auskunftsperson).
c) Vor Einleitung oder in Unkenntnis des Strafverfahrens
Rz. 192
Damit bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass sich der Schutzbereich des § 393 Abs. 2 AO entsprechend seinem Grundgedanken nur auf solche Erklärungen erstreckt, die der Stpfl. gemacht hat, als er im Besteuerungsverfahren zur Mitwirkung in vollem Umfang verpflichtet war oder glaubte, verpflichtet zu sein.
Rz. 193
Die irrige Annahme einer Offenbarungsverpflichtung seitens des Stpfl. steht der Unkenntnis gleich; ebenso wie bei bewusster Täuschung des Finanzbeamten über die Einleitung des Strafverfahrens oder Ausnutzung des Irrtums kommt auch ein Verwertungsverbot gem. § 136a Abs. 3 StPO in Betracht.
Rz. 194
Gemeint ist das Steuerstrafverfahren, das sich gegen den Stpfl. richtet und jenen Sachverhalt zum Gegenstand hat, auf das sich das Besteuerungsverfahren bezieht.
Rz. 195
Die Frage, wann ein (Steuer-)Strafverfahren als "eingeleitet" gilt, wird durch die Legaldefinition des § 397 Abs. 1 AO beantwortet. Auf die Erl. zu dieser Vorschrift wird Bezug genommen (s. § 397 Rz. 17–36).
d) "In Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten"
Rz. 196
Schutzobjekt des § 393 Abs. 2 AO sind nur solche Tatsachen und Beweismittel, die der Stpfl. "in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten" offenbart hat.
Rz. 197
Umstritten ist, ob das nur bei erzwingbaren steuerlichen Mitwirkungspflichten gilt. Nach überwiegender Ansicht, auch des BGH (s. nachst. Rz. 201), genügen Anträge auf Steuererstattung oder Steuervergütung nicht. Nach zutreffender Ansicht ist dies aber auch gelegentlich der Wahrnehmung steuerlicher Rechte möglich. Dann entsteht für den Stpfl. die Pflicht, insoweit wahrheitsgemäße Angaben zu machen.
Rz. 198
Nur durch wahrheitsgemäße Angaben können die steuerlichen Erklärungspflichten erfüllt werden. Werden der FinB gegenüber vorsätzlich falsche Angaben gemacht unter Vorlage gefälschter Unterlagen (§ 267 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 StGB), so greift der Schutz des § 393 Abs. 2 Satz 1 AO nach einhelliger Ansicht nicht ein.
Rz. 199
Das gilt nach der Rspr. des BGH insbesondere dann, wenn der Stpfl. durch Vorlage unechter Urkunden die FinB zu täuschen versucht.
Beispiel
nach BGH: Der Angeklagte hatte ungerechtfertigte Umsatzsteuererstattungen in Millionenhöhe geltend gemacht. Den Anmeldungen lagen angebliche, tatsächlich jedoch nicht durchgeführte Ankäufe von gebrauchten Kraftfahrzeugen im Inland mit Umsatzsteuerausweis zugrunde, deren anschließender umsatzsteuerfreier Export nach Spanien oder in die Niederlande behauptet wurde. Zum Nachweis seiner angeblichen Vorsteuererstattungsansprüche ließ er im Rahmen von Umsatzsteuersonderprüfungen die zuvor von ihm selbst gefälschten Einkaufsrechnungen, Lieferscheine und Verkaufsrechnungen vorlegen oder dem FA auf dessen Anforderung übersenden.
Das LG hatte den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt.
Die Revision blieb abgesehen von einer geringfügigen Schuldspruchänderung wegen Verkennung des Konkurrenzverhältnisses zwischen § 370 AO und § 267 StGB ohne Erfolg. Nach Ansicht des BGH soll...