Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Schrifttum:
Berg, Neukonzeptionierung der Widerspruchslösung, StraFo 2018, 327; Kranz, Der Rechtsschutz an der Schnittstelle von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren, Diss. 2015; Ranft, Das strafrechtliche Verwertungsverbot des § 428 Abs. 2 AO, DStR 1969, 364; Rogall, Das Verwendungsverbot des § 393 II AO, in FS Kohlmann, 2003, 465.
I. Rechtsweg
Rz. 289
Bei § 393 AO ist bei der Frage, welcher Rechtsweg (Straf- oder Finanzgerichtsbarkeit) gegeben ist, zwischen den einzelnen Absätzen zu differenzieren. Dies regelt auch nicht § 393 Abs. 1 AO und es gibt grundsätzlich keinen Vorrang eines der beiden Rechtswege. Angesichts der Unübersichtlichkeit der Regelung sieht eine Ansicht das verfassungsrechtlich garantierte Gebot der Rechtsschutzklarheit und die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG tangiert.
Während das Zwangsmittelverbot (§ 393 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO) und die steuerliche Verwendungsbefugnis (§ 393 Abs. 3 AO) steuerverfahrensrechtlicher Natur sind, betrifft § 393 Abs. 2 AO ein strafprozessuales Verwertungsverbot.
II. Rechtsschutz im Besteuerungsverfahren
Rz. 290
Wird unter Verstoß gegen das Zwangsmittelverbot des § 393 Abs. 2 AO ein Zwangsmittel i.S.d. § 328 AO angedroht, ist dagegen der Einspruch gem. § 347 Abs. 1 Nr. 1 AO statthaft sowie ggf. die Klage beim FG nach § 40 Abs. 1 FGO. Begleitend empfiehlt sich ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV, § 361 Abs. 2 AO, § 69 FGO), da der Einspruch nach § 361 Abs. 1 AO i.V.m. § 69 FGO keine aufschiebende Wirkung hat.
Rz. 291
Gegen die Weitergabe von Daten durch die FinB an die StA oder das Strafgericht kann auch das FG im Wege der Unterlassungsklage analog § 1004 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG angerufen werden, auch ggf. i.V.m. Eilrechtsschutz nach § 114 FGO. Dieser Weg erscheint in der Praxis aber eher aussichtslos, da der Beschuldigte davon erst im Strafverfahren Kenntnis erlangt und die Abgabe der Steuerakten an die Strafverfolgungsorgane kaum zu vermeiden ist.
Rz. 292
Ein steuerliches Verwertungsverbot kann der Stpfl., da es einen eigenen Rechtsbehelf hierfür nicht gibt, durch Einspruch gegen den Steuerbescheid bzw. im finanzgerichtlichen Verfahren suchen.
Rz. 293
Gleiches gilt, wenn die steuerliche Verwertbarkeit gem. § 393 Abs. 3 AO angefochten wird.
Rz. 294
Für den praktisch seltenen Fall eines verfahrensübergreifenden Verwertungsverbots (z.B. bei bewusster Täuschung, s. dazu Rz. 167 f.) kann auch strafrechtlicher Rechtsschutz gewählt werden (s. Rz. 296).
III. Rechtsschutz im Steuerstrafverfahren
Rz. 295
Das Verwertungsverbot des § 393 Abs. 2 Satz 1 AO (s. Rz. 185 ff.) ist von den Strafverfolgungsbehörden im Ermittlungsverfahren und später vom Strafgericht von Amts wegen zu beachten (s. Rz. 226 m.w.N.). Allerdings bedarf es insoweit in der Revision einer Rüge (s. Rz. 227).
Rz. 296
Wurde gegen die Belehrungspflicht über das Zwangsmittelverbot verstoßen (§ 393 Abs. 1 Satz 4 AO, s. Rz. 164 f.), muss der Stpfl. als Beschuldigter im Strafverfahren der Verwertung seiner Angaben in der Hauptverhandlung widersprechen (s. Rz. 159), ggf. mit dem Rechtsbehelf der Beanstandung gem. § 238 Abs. 2 StPO. Es gelten insoweit die allgemeinen Regeln wie bei Verletzung der Belehrung über das Schweigerecht gem. §§ 136, 136a StPO (s. dazu § 385 Rz. 1090 f.). In der Revision ist die Verwertung im erstinstanzlichen Urteil mit der Verfahrensrüge anzugreifen.