1. Zeitlicher Geltungsbereich

 

Rz. 55

[Autor/Stand] Die Anwendung von Zwangsmitteln (§ 328 AO) gegen den Stpfl. ist bereits vor Einleitung eines Strafverfahrens unzulässig, wenn er bei Erfüllung der Mitwirkungspflicht gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten (§ 393 Abs. 1 Satz 2 AO).

 

Rz. 56

[Autor/Stand] Nach Einleitung des Strafverfahrens entfällt ausnahmslos die Erzwingbarkeit von Auskünften und Mitwirkungspflichten im Steuerverfahren, wenn sich der Beschuldigte dadurch in die Gefahr der strafrechtlichen Selbstbelastung begibt (§ 393 Abs. 1 Satz 3 AO: "stets").

 

Rz. 57

[Autor/Stand] Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift ist die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens gem. § 397 AO (vgl. die Erläuterungen dort). Fehlt es hieran, kommt nur ein Verwertungsverbot nach § 393 Abs. 1 Satz 2 AO in Betracht. Dabei kommt es nicht auf die förmliche Mitteilung der Einleitung gem. § 397 Abs. 3 AO an, sondern das steuerliche Zwangsmittelverbot greift bereits dann ein, wenn durch eine objektiv erkennbare Maßnahme das Steuerstrafverfahren eingeleitet ist[4]. Maßgeblich dafür ist das Vorliegen eines Anfangsverdachts (s. dazu eingehend § 397 AO).

 

Rz. 58

[Autor/Stand] Trotz des – gegenüber § 393 Abs. 1 Satz 2 AO – eindeutigen Wortlauts des § 393 Abs. 1 Satz 3 AO gilt das Zwangsmittelverbot über die Verweisung in § 410 Abs. 1 Nr. 4 AO auch für den Fall der Einleitung eines steuerlichen Bußgeldverfahrens (streitig)[6].

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.03.2024
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.03.2024
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.03.2024
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.03.2024
[6] Zutr. Klaproth in Schwarz/Pahlke/Keß, § 393 AO Rz. 26; Tormöhlen in HHSp., § 393 AO Rz. 102; Lindemann in Hüls/Reichling2, § 393 AO Rz. 24; a.A. Drüen in Tipke/Kruse, § 393 AO Rz. 47; Güntge in ERST, § 393 AO Rz. 5: keine planwidrige Regelungslücke.

2. Normadressat

 

Rz. 59

[Autor/Stand] Das Zwangsmittelverbot des § 393 Abs. 1 Satz 2, 3 AO richtet sich an die FinB i.S.d. § 6 AO als Verwaltungsbehörde im Besteuerungsverfahren[2].

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.03.2024

3. Geltung nur im Besteuerungsverfahren

 

Rz. 60

[Autor/Stand] Die Geltung des Verbots von Zwangsmitteln beschränkt sich auf das Besteuerungsverfahren (Festsetzungs-, Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren). Es gilt auch bereits bei Vorfeldermittlungen der Steufa i.S.d. § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO (s. Beispiel Rz. 63)[2]. Die im Strafverfahren zulässigen Zwangsmaßnahmen wie Durchsuchungen, Beschlagnahme usw. bleiben hiervon unberührt (vgl. zu den strafprozessualen Zwangsmaßnahmen die Ausführungen § 385 Rz. 232 ff.).

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.03.2024

4. Zwangsmittel

a) Zwangsmittel gem. § 328 AO

 

Rz. 61

[Autor/Stand] Das Gesetz begnügt sich mit einer allgemeinen Verweisung auf § 328 AO. Als Zwangsmittel für die Durchsetzung von Verwaltungsakten, die auf Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichtet sind, nennt § 328 AO das Zwangsgeld (§ 329 AO), die Ersatzvornahme (§ 330 AO) und den unmittelbaren Zwang (§ 331 AO). Erfasst ist außer den in § 328 genannten Zwangsmitteln auch deren schriftliche Androhung nach § 332 AO[2].

Umstritten ist, ob der Katalog der Zwangsmittel in § 328 AO abschließend ist[3] (s. dazu Rz. 64 ff.).

 

Rz. 62

[Autor/Stand] Unzweifelhaft steht im Rahmen des Besteuerungsverfahrens die Erzwingung von solchen Handlungen im Vordergrund, die mit der Abgabe und dem Inhalt der Steuererklärung in Zusammenhang stehen (z.B. Ergänzungen der Erklärung, Angabe der Höhe des Wareneingangs, Vermögensaufstellungen zur Ermittlung des Einheitswerts). Die Erzwingung von Unterlassungen spielt allgemein und schon gar nicht in dem hier interessierenden Zusammenhang eine nennenswerte Rolle. Zu Duldungspflichten s. Rz. 66.

 

Rz. 63

[Autor/Stand] Kritisch ist in diesem Zusammenhang eine neue BFH-Entscheidung zum Erzwingungsverbot (im nachst. Beispiel) anzusehen. Danach scheidet die Gefahr der Selbstbelastung trotz Festsetzung eines Zwangsgeldes aus, wenn dem Stpfl. noch eine strafbefreiende Selbstanzeige offensteht.

 

Beispiel

nach BFH[6]: StA und Steufa waren im Zuge ihrer Ermittlungen über Kundenbeziehungen deutscher Kapitalanleger zu Schweizer Vermögensverwaltungsgesellschaften auf den Kläger gestoßen, der als Kunde der X-AG geführt wurde. Das FA forderte den Kläger daraufhin auf, die entsprechenden Konto- und Depotauszüge einzureichen. Auf die Mitteilung des Klägers, er könne über nicht bestehende Geschäftsbeziehungen keine Bescheinigungen vorlegen, drohte das FA die Festsetzung eines Zwangsgeldes i.H.v. 400 EUR an und setzte nach ergebnislosem Ablauf der für die Vorlage der Bescheinigungen gesetzten Frist das Zwangsgeld fest.

Das FG urteilte, entgegen der Auffassung des Klägers greife das Zwangsmittelverbot nach § 393 Abs. 1 Satz 2 AO wegen der Gefahr der Se...

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