Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Schrifttum:
v. Briel, Steuergeheimnis und Akteneinsicht im Rahmen des § 406e Abs. 2 Satz 1 StPO, wistra 2002, 213; Brodersen, Das Strafverfahrensänderungsgesetz 1999, NJW 2000, 2536; Burhoff, Besonderheiten des Rechts auf Akteneinsicht im Steuerstrafverfahren, PStR 2000, 46; Burhoff, Akteneinsicht im Besteuerungsverfahren, PStR 2001, 8; Burkhard, Zum Recht des Strafverteidigers auf Akteneinsicht im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wistra 1996, 171; Burkhard, Akteneinsicht des Strafverteidigers in Steuerstrafsachen, StV 2000, 526; Burkhard, Die Ablehnungspraxis der Finanzämter bei Akteneinsichtsgesuchen im Steuerstrafverfahren, INF 2001, 168; Franzen, Das Steuerstrafverfahren nach dem AOStrafÄndG, DStR 1967, 533; Gotzens, Im Spannungsfeld zwischen § 406e StPO und § 30 AO, PStR 2006, 153; Hellmann, Der Rechtsweg gegen die Versagung der Akteneinsicht durch die Finanzbehörde nach Abschluß des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, DStZ 1994, 371; Hiebl, Ausgewählte Probleme des Akteneinsichtsrechts nach § 147 StPO, 1994; Marberth-Kubicki, Die Akteneinsicht in der Praxis, StraFo 2003, 369; Meyer-Goßner, Die Behandlung kriminalpolizeilicher Spurenakten im Strafverfahren, NStZ 1982, 353; Puschke/Fett, Datenübermittlung aus Strafverfahrensakten an öffentliche Stellen, ZWH 2023, 113; Schaaf, Die Rolle der Finanzbehörden im gerichtlichen Steuerstrafverfahren, AO-StB 2011, 317; Schlothauer, Zur Verweigerung der Akteneinsicht, StV 2001, 192; Seer, Die Verwertbarkeit strafrechtlicher Ermittlungsergebnisse für das Besteuerungsverfahren – Umfang und Grenzen einer Amtshilfe, StuW 1991, 165; Urban, Das Recht auf Akteneinsicht, NWB Fach 2, 7195; Walischewski, Das Recht auf Akteneinsicht bei strafprozessualen Zwangsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren, StV 2001, 243; Wegner, Akteneinsicht im Steuerstrafverfahren, PStR 2004, 110; Welp, Rechtsschutz gegen verweigerte Akteneinsicht, StV 1986, 446; Wu, Einsichtnahme des Verteidigers in Aufzeichnungen aus einer Telekommunikationsüberwachung, HRRS 2018, 108. Siehe auch weiteres Schrifttum zur Akteneinsicht vor § 392 Rz. 391.
Ergänzender Hinweis: Nr. 92 Abs. 3 AStBV (St) 2023/2024 (Akteneinsicht der FinB; s. AStBV Rz. 92); Nr. 94 Abs. 2 Satz 1 AStBV (St) 2023/2024 (s. AStBV Rz. 94); Nr. 35 AStBV (St) 2023/2024 (Akteneinsicht des Verteidigers; s. AStBV Rz. 35).
Vgl. ferner § 49 Abs. 2 OWiG; § 147 Abs. 1, 4 StPO und Nr. 160, 182–189 RiStBV.
A. Entstehungsgeschichte
Rz. 1
Eine dem heutigen § 395 AO entsprechende Vorschrift wurde erst durch das 1. AO-StrafÄndG von 1967 als § 431 RAO in das Gesetz eingefügt. Dies war wegen der Neugestaltung der Rechtsstellung der FinB notwendig geworden. Bis dahin war das FA selbst im Verwaltungsstrafverfahren aktenführende Behörde und hatte im anschließenden staatsanwaltschaftlichen und gerichtlichen Verfahren die Stellung als Nebenkläger (§§ 467, 472 RAO 1931) mit einem daraus resultierenden Akteneinsichts- und Asservatenbesichtigungsrecht.
Ihre heutige Fassung hat die Regelung in § 395 AO 1977 gefunden, nachdem in den Entwürfen der Begriff "Finanzamt" durch "Finanzbehörde" und die Wendung "sichergestellte und beschlagnahmte Gegenstände" durch "beschlagnahmte oder sonst sichergestellte Gegenstände" präzisiert worden war.
Rz. 1.1
Eine umfassende Reform des Akteneinsichtsrecht nach der StPO ist durch das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5.7.2017 zum 1.1.2018 erfolgt (nähere Einzelheiten dazu bei § 392 Rz. 437 ff.).
B. Bedeutung, Zweck und Anwendungsbereich
Rz. 2
Es bedarf keiner Begründung, dass der Aktenkenntnis auch im Strafprozess eine besondere Bedeutung zukommt. Dies gilt nicht nur für den Verteidiger, dessen Tätigkeit für den Beschuldigten eine möglichst umfassende Kenntnis des Verfahrensstandes voraussetzt (§ 147 StPO; s. dazu § 385 Rz. 157 f.; § 392 Rz. 391 ff.; § 399 Rz. 272), sondern auch für andere am Verfahren Beteiligte, wie z.B. den nicht anwaltlich vertretenen Beschuldigten (§ 147 Abs. 7 StPO; s. § 385 Rz. 157, 531; § 392 Rz. 394), den Nebenkläger, die Einziehungs- und Arrestbeteiligten, die bußgeldbeteiligte juristische Person oder Personenvereinigung oder den Verletzten.
Jedwede prozessuale Mitwirkung, soll sie sachgerecht sein, ist ohne Kenntnis der Entwicklung des Verfahrens und der ihm zugrunde liegenden Einzelheiten nur schwer möglich und mit besonderen Risiken behaftet. Diese Kenntnis wird zuverlässig erworben nicht durch Gespräche mit anderen Verfahrensbeteiligten – Staatsanwalt, Gericht, Mitbeschuldigte –, sondern durch Einsichtnahme in die Akten. Dass dies auch vom Gesetzgeber so gesehen wird, zeigen die in den einzelnen Verfahr...