a) Keine Personenidentität
Rz. 26
Die Anwendung des § 396 AO verlangt nach der heutigen, zutreffenden h.M. zwar keine Personenidentität der Verfahrensbeteiligten im Besteuerungs- und im Strafverfahren, mithin des Steuerschuldners und des Beschuldigten (Angeklagten), doch kann nicht zugleich auf die Identität der Verfahrensgegenstände verzichtet werden.
Rz. 27
Die noch von der Rspr. zu der Vorläuferbestimmung des § 396 AO vorgenommene Einschränkung, dass sich das Steuerstrafverfahren und das Besteuerungsverfahren gegen dieselbe Person richten müssen, ist nach der Beseitigung jeder Bindung des Strafrichters an die Entscheidungen der FG und FinB (s. Rz. 6 ff.), nicht länger gerechtfertigt. Da § 396 AO nunmehr auch bei Verschiedenheit der verfahrensbeteiligten Personen in Betracht kommt, sofern im Übrigen Sachverhaltsidentität vorliegt, findet die Vorschrift auch auf Fälle der Beihilfe und Anstiftung Anwendung. Die Vorfragenabhängigkeit besteht auch dann, wenn mehrere Personen als Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung in Betracht kommen und das Besteuerungsverfahren nur gegen den Täter als Steuerschuldner geführt wird (z.B. es zu den Haftungsfragen nach § 71 AO der Gehilfen nicht mehr kommt, weil der Stpfl. das steuerliche Mehrergebnis schließlich bezahlt), das Steuerstrafverfahren sich aber nur gegen den Gehilfen richtet, weil der Haupttäter z.B. flüchtig, verhandlungsunfähig krank oder verstorben ist. Widersprüchlich und für weite Teile der Bevölkerung unverständlich wäre es in derartigen Fällen, wenn der Gehilfe wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt, steuerlich aber ein Haftungsbescheid gegen den Gehilfen mangels Beihilfe aufgehoben würde, Gleiches wäre der Fall, wenn der Haupttäter freigesprochen und der Gehilfe verurteilt würde oder steuerlich die Klage des Haupttäters abgewiesen und dieser daher die Mehrsteuern bezahlen müsste, ein Haftungsbescheid gegen den Gehilfen jedoch nicht erlassen würde, weil die Verwaltung die Voraussetzung des § 71 AO als nicht gegeben ansehen würde.
Rz. 28
Ähnlich widersprüchliche Ergebnisse können auch bei Verfahren auftreten, in denen sich das Besteuerungsverfahren gegen eine juristische Person oder gegen eine steuerlich selbständige Personenvereinigung (vgl. § 34 AO) richtet, während im Strafverfahren der gesetzliche Vertreter (z.B. Geschäftsführer einer GmbH, persönlich haftender Gesellschafter einer OHG) Beschuldigter ist. Des Weiteren können sie sich auch in Haftungsfällen (§ 69 AO) ergeben, wenn vor Verurteilung des Haftenden wegen Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren des Steuerschuldners noch geklärt werden muss, ob überhaupt ein Steueranspruch besteht.
b) Sachverhaltsidentität
Rz. 29
Demgegenüber ist dem Wortlaut der geltenden Fassung des § 396 AO ("bis das Besteuerungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist") jedoch zu entnehmen, dass es sich zumindest um dieselbe Rechtssache handeln, d.h. Sachidentität i.S.d. § 264 StPO gegeben sein muss. Das Steuerstrafverfahren muss demnach eine Steuerhinterziehung betreffen, deren Tathandlung und Erfolg sich auf denselben steuerrechtlichen Sachverhalt beziehen und die zugleich Gegenstand eines Steuerverfahrens ist. Das Verfahren darf daher nicht ausgesetzt werden, wenn lediglich in einem anderen Besteuerungsverfahren, dem ein ähnlich gelagerter Sachverhalt zugrunde liegt, dieselbe Rechtsfrage zur Entscheidung ansteht.