aa) Freispruch oder Verurteilung aus anderen Gründen
Rz. 44
An einer entscheidungserheblichen Vorfrage fehlt es hingegen, wenn der Angeklagte unabhängig von der Beantwortung der steuerrechtlichen Vorfragen aus anderen rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen ohnehin freizusprechen oder zu verurteilen wäre.
Rz. 45
Nicht vorfragenrelevant sind daher Fragen des inneren Tatbestands. Dies hat bereits das RG wie folgt entschieden:
"Die Notwendigkeit oder Möglichkeit, unabhängig von der Beantwortung jener Vorfragen zu einer Entscheidung zu gelangen, ist für den Strafrichter in zahlreichen Fällen vorhanden. Sie kann sich schon bei der Beurteilung des äußeren Tatbestandes ergeben (vgl. RGSt 56, 278, 279; 65, 165, 169, 170, 174; 66, 298, 301), ist aber namentlich bei der Beurteilung des inneren Tatbestandes vorhanden, über den die Finanzbehörden – abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall der Entstehung einer persönlichen Steuerpflicht aus einer begangenen Steuerhinterziehung (RGSt 57, 212, 216; RFH, JW 1922 S. 1473 Nr. 5) – im Besteuerungsverfahren überhaupt nicht zu entscheiden haben (RFH, Bd. 12, S. 235; RGSt 62, S. 322, 327 ff.; RGSt 65, 165, 173)."
Vgl. weiterhin BGH:
"Dies [Aussetzung nach § 468 AO a.F.] gilt nach der sinngemäßen, vom erkennenden Senat gebilligten Auslegung des Reichsgerichts (RGSt 68, 45) nicht nur, wenn der Strafrichter verurteilt, sondern auch wenn er freisprechen will. Davon ist der Strafrichter nur dann befreit, wenn sein Urteil nicht abhängt von der Entscheidung der Vorfrage, ob der Steueranspruch, wegen dessen Verkürzung der Angeklagte bestraft werden soll, nach dem maßgebenden Steuergesetz [...] besteht. Diese Abhängigkeit fehlt insbesondere dann, wenn die innere Tatseite des Steuervergehens im Sinne der §§ 396 oder 492 RAbgO [...] nicht erwiesen ist.".
Rz. 46
Daneben fehlt es ferner an der erforderlichen Abhängigkeit, wenn
- bereits der äußere Tatbestand nicht erfüllt ist,
- die nachgewiesene Handlung nicht ursächlich für die eingetretene Steuerverkürzung (den erlangten Steuervorteil) war,
- die Tat unter die Wirkung eines Straffreiheitsgesetzes fällt.
Rz. 47
Ebenso wenig kommt eine Aussetzung des Verfahrens nach § 396 AO in Betracht, wenn tateinheitlich verschiedene Steuern hinterzogen wurden und nur bezüglich einer Steuerart der Steueranspruch zweifelhaft ist, da gem. § 52 Abs. 1 StGB ohnehin nur eine Strafe verhängt wird. Etwas anderes gilt bei tatmehrheitlicher Steuerverkürzung. Hier ist die (getrennte) Aussetzung bzgl. einer selbständigen Tat möglich.
bb) Beweisschwierigkeiten
Rz. 48
Ferner ist eine Aussetzung des Strafverfahrens allein zum Zweck der Vermeidung von Beweisschwierigkeiten nicht zulässig. Die Aussetzung nach § 396 AO soll nämlich der Klärung zweifelhafter Rechtsfragen dienen, nicht dagegen der Bewältigung von Beweisschwierigkeiten.
So darf das Strafgericht (die Ermittlungsbehörde) das Verfahren nicht allein deshalb aussetzen, um es dem finanzgerichtlichen Verfahren zu überlassen, die erforderlichen Tatsachen zu ermitteln und Beweise zu sichern. Dies folgt schon daraus, dass die Erhebung der Beweise und ihre Verwertung im Besteuerungsverfahren einerseits und im Strafverfahren andererseits unterschiedlichen Grundsätzen folgt. Während der Stpfl. im Besteuerungsverfahren die gesetzliche Pflicht hat, bestimmte steuerlich erhebliche Tatsachen zu beweisen, und die Nichterweislichkeit der Tatsache zu seinen Lasten geht, müssen im Steuerstrafverfahren die Strafverfolgungsorgane dem Beschuldigten nachweisen, dass er eine Steuerhinterziehung begangen hat.
cc) Prozessökonomische Gründe
Rz. 49
Sofern es an der nötigen Abhängigkeit von einer steuerrechtlichen Vorfrage fehlt, ist es auch unzulässig, das Strafverfahren unter Berufung auf § 396 AO allein aus prozessökonomischen Gründen oder aus Zweckmäßigkeitserwägungen auszusetzen.