Rz. 10
Im Regelfall kommen Strafverfahren durch die Erstattung von Strafanzeigen in Gang (s. auch § 385 Rz. 128 ff.). Es handelt sich um die Mitteilung eines Sachverhalts, der nach Ansicht des Anzeigenden den Verdacht einer strafbaren Handlung begründet. Der durch eine Straftat Verletzte oder eine andere Person regt damit die Prüfung an, ob Anlass zur Strafverfolgung besteht.
Wie sich aus § 158 Abs. 1 StPO ergibt, können Anzeigen "bei der Staatsanwaltschaft, den Behörden und Beamten des Polizeidienstes und den Amtsgerichten" angebracht werden. Für das Steuerstrafverfahren ist dieser Katalog um die FinB sowie die Steuer- und Zollfahndungsstellen zu ergänzen (§ 386 Abs. 1 Satz 2, § 404 AO). Die Erstattung der Anzeige unterliegt keiner besonderen Form. Sie kann gem. § 158 Abs. 1 StPO schriftlich oder mündlich erfolgen. Anzeigen können auch anonym oder gegen "Unbekannt" erstattet werden (vgl. Nr. 8 RiStBV). Anonyme Anzeigen sind auf Schlüssigkeit und Glaubhaftigkeit zu prüfen, wobei der Prüfungsmaßstab freilich herabgesetzt ist. Ein Verfahren gegen Unbekannt kommt insb. dann in Betracht, wenn die Strafanzeige pauschal gegen "die Verantwortlichen" eines Unternehmens oder einer sonstigen Institution, z.B. Klinikum, erstattet wird. Nicht unkritisch zu sehen, ist jedoch die Möglichkeit zur Erstattung einer fernmündlichen anonymen Strafanzeige, etwa via Telefon oder via E-Mail.
Rz. 10.1
Die Anzeige zieht eine Verfahrenseinleitung nur dann nach sich, wenn aus ihr ein konkreter Tatverdacht hervorgeht. Ob das der Fall ist, hängt davon ab, wie detailliert die Angaben in der Anzeige sind. Vage Vermutungen oder die bloße Möglichkeit einer Steuerverkürzung reichen nicht aus (s. Rz. 5 f.). Um dies beurteilen zu können, sind weitere Nachforschungen als sog. Vorermittlungen (s. Rz. 7) zulässig.
Die klassischen, durchaus verlässlichen Quellen und Auslöser für steuerstrafrechtliche Ermittlungen sind immer wieder Anzeigen von Insidern aus dem persönlichen oder geschäftlichen Umfeld des Stpfl. Die Anzeigenerstatter sind in diesen Fällen oftmals durch Rache, Eifersucht, Konkurrenzneid etc. motiviert, weshalb die Ermittlungsbehörden nicht generell verpflichtet sind, derartigen Anzeigen nachzugehen. Querulantentum haben die Ermittlungsbehörden schon aus Gründen der Ressourcenschonung entgegenzuwirken. Die Beurteilung der Person des Anzeigenden oder die Art und Weise der Anzeigenerstattung kann in die Beurteilung des Vorliegens eines Anfangsverdachts mit Beachtung finden solche Anzeigen indes, wenn sie detaillierte Angaben enthalten, die auf Insiderwissen schließen lassen oder eine gewisse Schlüssigkeit aufweisen.
Zur umstrittenen Frage des Anspruchs auf Benennung des Anzeigenerstatters s. Rz. 57 ff.
Rz. 11
Für das Steuerstrafverfahren spielt die sog. Selbstanzeige (§§ 371, 378 Abs. 3 AO) eine besondere Rolle (vgl. dazu die Ausführungen zu § 371 und s. § 378 Rz. 124 ff.). Zwar handelt es sich dabei nicht um eine Strafanzeige i.S.d. § 158 Abs. 1 StPO, doch stellt die FinB aufgrund dieser Anzeige Ermittlungen an, um festzustellen, ob die Angaben zutreffen oder nicht, und leitet damit ein Steuerstrafverfahren ein.
Auch wenn die Selbstanzeige nicht als solche, sondern etwa neutral als "Nacherklärung" bezeichnet und rein objektiv auf den steuerrechtlich relevanten Sachverhalt bezogen formuliert ist, werden sich oft aus dem Inhalt zumindest Anzeichen für Steuerverkürzungen aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben in den bisherigen Steuererklärungen ergeben. Dies gilt erst recht, wenn nur einer von mehreren an einer Verkürzungstat Beteiligten sich zur Selbstanzeige entschließt und die übrigen Personen sowie deren "Anteile" an der Tat benennt. Aus Sicht der Ermittlungsbehörden liegen dann die Verdachtsgründe auch in subjektiver Hinsicht meist nicht fern (s. näher Rz. 31).
Keinen genügenden Anlass für eine Verdachtsbegründung und die Einleitung eines Strafverfahrens bietet dagegen die strafbefreiende Erklärung nach dem StraBEG. Dem steht die besondere Verwendungsbeschränkung (§ 13 StraBEG) entgegen.