Ergänzender Hinweis: Nr. 95–99 AStBV (St) 2020 (s. AStBV Rz. 95 ff.)
I. Rechtsschutz gegenüber Einleitung und Mitteilung
Rz. 56
Gegen die Einleitung des Verfahrens und die Mitteilung derselben hat der Beschuldigte keine Rechtsbehelfsmöglichkeiten. Prozesshandlungen sind generell nicht beschwerdefähig. Der Beschuldigte kann seine Einwendungen im laufenden Verfahren vorbringen.
Unbenommen ist dem Betroffenen die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde, um verwaltungsintern eine Überprüfung einzelner Maßnahmen zu erreichen.
Davon zu unterscheiden sind die Rechtsbehelfe, die dem Beschuldigten gegen rechtswidrige strafprozessuale Zwangsmaßnahmen, wie Durchsuchung, Beschlagnahme und Festnahme, zustehen. Zum Rechtsschutz gegenüber steuerlichen und strafprozessualen Fahndungsmaßnahmen s. näher § 404 Rz. 193 ff.
II. Auskunft über den Anzeigeerstatter
Schrifttum:
Eilers, Schutz des Steuergeheimnisses zugunsten von Informanten der Finanzverwaltung; Heerspink, Schutz des Denunzianten, PStR 2001, 211; Hetzer, Denunziantenschutz durch Steuergeheimnis, NJW 1985, 2991; Hetzer, Informationsrechte denunzierter Steuerpflichtiger im Lichte des § 30 AO 1977, ZfZ 1985, 354; Hildebrandt, Die Behandlung vertraulicher Anzeigen im Steuerstrafverfahren, wistra 1988, 300; Schuhmann, Geheimhaltung des Informanten durch das Finanzamt, wistra 1996, 16; Streck/Olbing, Der beim Finanzamt angezeigte Steuerbürger, BB 1994, 1267; Wolffgang, Informantenschutz im Steuerrecht, in Erichsen u.a. (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, 415; Wolsfeld, Auskunft über den Denunzianten, PStR 2000, 222.
Ergänzender Hinweis: Nr. 128 AStBV (St) 2020 (s. AStBV Rz. 128)
Rz. 57
Umstritten ist die Frage, ob ein bei der FinB zu Unrecht Angezeigter (s. Rz. 10) einen Anspruch auf Benennung des Anzeigeerstatters, d.h. des Denunzianten, hat. Das hängt davon ab, wie weit man den Schutzbereich, den das Steuergeheimnis (§ 30 AO) gewährt, umreißt.
Eine explizite Anspruchsnorm auf Preisgabe des Namens eines Anzeigeerstatters enthält die AO nicht. Dem Verlangen könnte aber § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO entgegenstehen. Fraglich ist, ob der Name des Anzeigeerstatters dem Steuergeheimnis unterfällt, eine Offenbarung durch das FA also unzulässig wäre.
Durch das Steuergeheimnis werden die "Verhältnisse eines anderen", die in einem der in Abs. 2 genannten Verfahren bekannt geworden sind, geschützt. "Andere" in diesem Sinne sind – unstrittig – z.B. Auskunftspersonen (vgl. § 93 AO), Steuerberater u.a.
Rz. 58
Der BFH zählt hierzu aber auch die Namen von Informanten, wie Anzeigeerstatter, V-Männer und sonstige Fahndungshelfer der Finanzverwaltung. Die Motive des Anzeigeerstatters seien für die Verwertung steuerlich relevanter Mitteilungen unbeachtlich. Nur ausnahmsweise könne die im Ermessen der FinB stehende Offenbarung unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 und 5 AO nicht nur zulässig, sondern bei erheblicher Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen sogar geboten sein. Grundsätzlich unterliege der Hinweisgeber aber dem Schutz des § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO und könne die Geheimhaltung seines Namens verlangen (s. aber sogleich Rz. 59). Nach diesem Rechtsverständnis hat die Finanzverwaltung zwar im Einzelfall eine Offenbarungsbefugnis, aber keine Offenbarungsverpflichtung.
Der BFH hat seine Auffassung zwischenzeitlich modifiziert. Danach besteht zwar kein Anspruch des Stpfl. darauf, den Namen des Informanten zu erfahren, wohl aber ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung, der sich zu einem Auskunftsanspruch verdichten kann, wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG überwiegt. Zur Überprüfung der Ermessensentscheidung kann das FA ausnahmsweise gem. § 86 FGO gezwungen sein, dem FG die gesamte Akte (einschließlich der Handakte des Fahnders) vorzulegen. Ob die Einsichtsbeschränkungen des § 86 FGO verfassungsgemäß sind, hat der BFH bezweifelt. Zur Offenbarungsbefugnis des § 30 Abs. 5 AO (vorsätzlich falsche Angaben) führte er aus, dass diese nur gegenüber den Strafverfolgungsbehörden bestehe, der Beschuldigte aber gem. § 30 Abs. 4 Nr. 4 AO informiert werden dürfe, da auch dieser die "Durchführung eines Strafverfahrens" veranlassen könne und die Möglichkeit haben müsse, sich gegen ungerechtfertigte Angriffe zur Wehr zu setzen. Die Offenbarungsbefugnis könne sich in außergewöhnlichen Fällen zu einer Offenbarungsverpflichtung verdichten, wenn nur so ein effektiver Rechtsschutz i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet sei. § 30 Abs. 4 Nr. 4 AO setze zudem keine vorsätzlichen Falschangaben voraus. Die Rechtmäßigkeit des Ermittlungsverfahrens spreche nicht a priori gegen die Durchbrechung des Steuergeheimnisses.
Dieser Ansicht nach ist für die begehrte Auskunft der Finanzrechtsweg eröffnet. Seit dem 1.4.2005 entscheidet gem. § 86 Abs. 3 FGO ausschließlich der BFH, ob die Weigerung des FA, Akteneinsicht zu gew...