Rz. 50

[Autor/Stand] Nach erfolgter Einstellung des Verfahrens nach § 398 AO bzw. § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO finden keine weiteren strafrechtlichen Ermittlungen mehr statt. Hiervon unberührt bleibt jedoch eine weitere Ahndung unter dem Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit (vgl. § 21 Abs. 2 OWiG), z.B. wegen leichtfertiger Steuerverkürzung gem. § 378 AO.

Der Einstellung kommt keine Rechtskraft zu und sie bewirkt keinen Strafklageverbrauch,[2] so dass die Finanzbehörde oder StA die Ermittlungen – sofern zwischenzeitlich keine Verjährung eingetreten ist – jederzeit wieder aufnehmen können, sei es, weil neue tatsächliche Gesichtspunkte bekannt geworden sind, sei es aufgrund einer veränderten Beurteilung der vorliegenden Erkenntnisse.[3] Dies dürfte allerdings nur in Betracht kommen, wenn sich herausstellt, dass die getroffene Einstellungsentscheidung fehlerhaft war, weil die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorlagen.[4]

Die Rechtsfolgen des § 398 AO gleichen damit denen einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO (s. Rz. 3). Auch diese entfaltet grundsätzlich keine Rechtskraftwirkung, so dass kein Strafklageverbrauch eintritt. Der StA bzw. Finanzbehörde bleibt es nach überwiegender Ansicht unbenommen, bei veränderter Sachlage etwa aufgrund neuer Ermittlungsergebnisse, aber auch bei veränderter rechtlicher Beurteilung des Sachverhalts das Ermittlungsverfahren wieder aufzunehmen, jedoch nur, wenn ein begründeter Anlass besteht (vgl. Nr. 82 Abs. 5 AStBV (St) 2023/2024, s. AStBV Rz. 82).[5]

Einzig eine Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO nach Anklageerhebung durch das Gericht mit Zustimmung der StA und des Angeklagten führt zu einer beschränkten Rechtskraft und insoweit zu einem beschränkten Strafklageverbrauch.[6] Der Strafklageverbrauch erstreckt sich auf die gesamte prozessuale Tat i.S.d. § 264 StPO, einschließlich nach § 154a StPO ausgeschiedener Taten.[7]

Die Ermittlungen können nach dem Rechtsgedanken des § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO wieder aufgenommen werden, wenn sich die Tat nachträglich als Verbrechen darstellt.[8] Die Wiederaufnahme der Ermittlungen soll nach anderer Ansicht bereits dann möglich sein, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die eine erhöhte Strafbarkeit begründen,[9] oder wenn bei der Einstellung verkannt wurde, dass es sich um einen Teilakt einer Dauerstraftat oder eine Bewertungseinheit gehandelt hat.[10] Dagegen sprechen indes aus Art. 20 Abs. 3 GG zu entnehmende Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes, wonach die mit abgeschlossenen Tatbeständen verknüpften gesetzlichen Folgen anerkannt bleiben. Der gleiche Rechtsgedanke liegt § 173 AO zugrunde.

 

Rz. 50.1

[Autor/Stand] Umstritten ist die Frage des transnationalen Strafklageverbrauchs bei Einstellung des Verfahrens nach § 398 AO bzw. § 153 StPO im Hinblick auf die Regelungen der Art. 54 SDÜ/Art. 50 GRC.[12] Das Strafgericht Eupen maß bereits der staatsanwaltlichen Einstellung eines deutschen Ermittlungsverfahrens nach § 153 Abs. 1 StPO strafklageverbrauchende Wirkung zu.[13] Für das Merkmal der rechtskräftigen Aburteilung bedarf es jedoch einer verfahrensbeendenden Entscheidung einer zur Mitwirkung an der Strafrechtpflege berufenen Behörde, der Ahndungswirkung zukommt. Die Entscheidung muss zu einem Strafklageverbrauch auch nach nationalem Recht führen.[14] Daran fehlt es bei § 398 AO und im Fall des § 153 Abs. 1 StPO, auch bei Zustimmung des Gerichts. Allein eine Einstellung nach § 398 AO i.V.m. § 153 Abs. 2 StPO führt zu einem (beschränkten) transnationalen Strafklageverbrauch nach Art. 54 SDÜ/Art. 50 GRC.[15] Die Anforderungen an die abschließende Wirkung der abschließenden Entscheidung dürfen nicht zu gering veranschlagt werden. Die gerichtliche Einstellung, insbesondere im Rahmen einer Hauptverhandlung, ist dem Urteilsverfahren ähnlicher als die staatsanwaltschaftliche Einstellung.[16] Zudem kann ein innerstaatlicher beschränkter Strafklageverbrauch auch in transnationaler Hinsicht nur zu einem beschränkten Doppelverfolgungsverbot führen.[17]

 

Rz. 51

[Autor/Stand] Anders ist es dagegen bei § 153a StPO. Werden die Auflagen erfüllt, besteht für die von der Einstellung erfasste Tat infolge des Strafklageverbrauchs ein Verfahrenshindernis.[19] Auf europäischer Ebene bewirkt die Einstellung nach § 153a StPO einen beschränkten transnationalen Strafklageverbrauch.[20] Ein unbeschränkter Strafklageverbrauch wäre zu weitgehend.[21] Ein innerstaatlicher beschränkter Strafklageverbrauch (§ 153a Abs. 1 Satz 5 StPO) kann auch in diesem Fall in transnationaler Hinsicht keine weitergehenden Auswirkungen haben.[22]

Eine Wiederaufnahme kommt, auch bei einer Einstellung des Verfahrens nach einer gleichgelagerten ausländischen Vorschrift[23], nur in Betracht, wenn die Tat nachträglich als Verbrechen (Mindeststrafe von einem Jahr, § 12 Abs. 1 StGB) erscheint (§ 153a Abs. 1 Satz 5 StPO).[24] Dies ist im Bereich der Steuerstraftaten nicht möglich, da es nach Aufhebung des § 370a AO keinen Verbrechenstatbestand der Steuerhinterziehung gibt. Die Strafschärfungen f...

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