Rz. 300

[Autor/Stand] Die Vermögensabschöpfung hat keinen strafenden oder strafähnlichen Charakter. Sie ist nach der Rspr. keine dem Schuldgrundsatz unterliegenden Nebenstrafe, sondern eine Maßnahme eigener Art mit kondiktionsähnlichem Charakter.[2] Das materielle Recht der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ist in den §§ 7373e und 7576b StGB geregelt. Es unterteilt sich in

Das prozessuale Recht besteht im Wesentlichen

  • aus den Regelungen über die vorläufige Sicherstellung (§§ 111b111n StPO) sowie
  • aus den besonderen Vorschriften für das Hauptverfahren und das selbständige Verfahren (§§ 421439 StPO).

Hinzu kommen die vollstreckungsrechtlichen Bestimmungen (§§ 459g459o StPO) und darin enthalten die Regelungen über die Opferentschädigung (§§ 111i ff., 459h ff. StPO).

 

Rz. 301

[Autor/Stand] Durch die Gesetzesreform wurde das Recht der Einziehung fast ausnahmslos als zwingendes Recht ausgestaltet. Demnach wird das neue Recht, so auch im Bereich des Steuerstrafrechts (Einziehung der hinterzogenen Steuer/Einziehung von Wertersatz)[4], ein Pflichtprogramm. Die Wirkung der Einziehungsanordnung folgt aus § 75 StGB und gilt für alle Fälle der Einziehung des Tatertrags. Die Anordnung kann auf §§ 73, 73a oder § 73b StGB beruhen. Sie kann unselbständig im Urteil oder selbständig nach § 76a StGB erfolgt sein. Bei der Wertersatzeinziehung bedarf es keiner gesetzlichen Regelung, da nur der Zahlungsanspruch des Staates durch rechtskräftige Anordnung tituliert wird. Die Verteilung des Eingezogenen an die Opfer der Straftat erfolgt ggf. im Vollstreckungsverfahren.

 

Rz. 302

[Autor/Stand] Das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 trat zum 1.7.2017 in Kraft. Der Gesetzgeber lehnte die Reform ausdrücklich an die Grundsätze der Entscheidung des BVerfG[6] an und regelte die gesamte Materie vollständig neu.[7] Im Ergebnis wird die Vermögensabschöpfung von einem Annex im Strafverfahren zu einer tragenden Säule.[8] Mit dem Ausbau der rechtlichen Möglichkeiten der Abschöpfung geht ein Abbau der Verteidigungsmöglichkeiten bzw. der Rechte der von der Einziehung Betroffenen einher (die Streichung der Härtefallklausel ist verfassungsrechtlich bedenklich[9]). Das Recht der Vermögensabschöpfung sollte vereinfacht und die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten erleichtert werden. Ermöglicht werden sollte insb. auch eine nachträgliche Vermögensabschöpfung. Geregelt wurde zudem, dass bei Vermögen unklarer Herkunft eine verfassungskonforme Beweislastumkehr dergestalt gilt, dass der legale Erwerb der Vermögenswerte nachgewiesen werden muss. Das Gesetz geht zurück auf die Richtlinie 2014/42/EU, deren Umsetzungsfrist am 4.10.2016 abgelaufen ist. Das sog. Kernstück der Reform ist die grundlegende Neuregelung der Opferentschädigung. Neu ist die Streichung von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB, womit künftig der Tatertrag oder ein entsprechender Geldbetrag auch dann abgeschöpft werden kann, wenn Schadensersatzansprüche von Tatgeschädigten nicht im Raume stehen. Der Unterschied zwischen Verfall und Rückgewinnung wurde aufgegeben. Der nunmehr zu verwendende Begriff der Einziehung (von Tatbeiträgen) geht zurück auf den einheitlich auf EU-Ebene verwandten Begriff der "confiscation". Neben dem Wegfall des sog. "Windhundprinzips" soll nunmehr eine gleichmäßige Befriedigung aller Geschädigten erreicht werden. Anknüpfungspunkt für die Einziehung kann nunmehr jedes Delikt sein, mithin auch einfache Diebstähle.

 

Rz. 303

[Autor/Stand] Durch das zweite Corona-Steuerhilfegesetz wurde mit Wirkung zum 1.7.2020 § 375a AO eingeführt (s. dazu § 375a Rz. 1 ff.). § 375a AO sah vor, dass das Erlöschen eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis durch Verjährung nach § 47 AO einer Einziehung rechtswidrig erlangter Taterträge nach den §§ 7373c StGB nicht entgegenstehen sollte. § 375a AO wirkte indes wie ein "Nichtanwendungsgesetz": Der BGH hatte zuvor entschieden, dass das Erlöschen des Anspruchs aus dem Schuldverhältnis wegen Verjährung (§ 47 AO) zum Ausschluss der Einziehung des Tatertrags oder Wertersatzes nach § 73e Abs. 1 StGB führt.[11] Diese, vom BGH aus dem Wortlaut des erst zwei Jahre alten Gesetzes abgeleitete Rechtsfolge, sollte korrigiert werden. In zeitlicher Hinsicht berücksichtigte der Gesetzgeber im Sommer 2020 zunächst noch den aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz des "Rückwirkungsverbotes" und ließ die Neuregelung nur für die am 1.7.2020 noch nicht verjährten Steueransprüche gelten (Art. 97, § 34 EGAO). § 375a AO wurde durch das Jahressteuergesetz 2020 wieder aufgehoben und durch eine Neuregelung im Strafgesetzbuch ersetzt: Der durch das Jahressteuergesetz 2020 neu eingeführte § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB hat den bisherigen Regelungsinhalt des § 37...

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