Schrifttum:
Ambos, Beweisverwertungsverbote, 2010; Bülte, Verwertung von im Ausland erlangten Beweismitteln und Anwendungsvorrang des Unionsrechts als Grenze von Verfahrensrechten im nationalen Strafprozess – Zu BGH, Beschl. v. 21.11.2012 – 1 StR 310/12 und EuGH, Urt. v. 26.2.2013 – Rs. C-617/10 und 399/11, ZWH 2013, 219; Gleß, Beweisrechtsgrundsätze einer grenzüberschreitenden Strafverfolgung, 2006; Nagler, Verteidigung gegen im Ausland gewonnene Ermittlungsergebnisse, StV 2013, 324; Pawlik, Zur strafprozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter ausländischer Bankdaten, JZ 2010, 693; Pitsch, Strafprozessuale Beweisverbote, 2009; Schuster, Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise im deutschen Strafprozess, 2006; Seitz, Der Ankauf von Steuerdatensätzen in strafrechtlicher und strafprozessualer Sicht, Ubg 2014, 380; Stiebig, Die Zurechnung von Verfahrenshandlungen in Vertragsstaaten der EMRK, ZJS 2012, 614.
a) Einführung
Rz. 1250
Vgl. auch § 385 Rz. 1045 ff. Neben der Zulässigkeit und neben der Frage der Durchführung der Rechtshilfe stellt sich im Anschluss an die Erlangung der Beweismittel die Frage nach der Verwertbarkeit ausländischer Erkenntnisse (zur Frage der Verwertbarkeit insgesamt § 385 Rz. 1045, 1077). Die Frage, wann ein Verwertungsverbot anzunehmen sein kann, ist grundsätzlich vom Einzelfall abhängig. Nach der sog. einzelfallbezogenen Abwägung wird überprüft, ob mit der bei der Beweiserhebung verletzten Vorschrift ein Interesse des Angeklagten geschützt wird, welches gewichtiger ist als das Interesse an der Effizienz der Strafverfolgung und der Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege an sich. Die Frage, wann gleichwohl im Zusammenhang mit im Ausland oder im Wege der Rechtshilfe erlangten Erkenntnissen ein Verwertungsverbot anzunehmen sein kann, ist kasuistisch von Pragmatismus geprägt und wenig einheitlich. Die Problematik liegt darin begründet, dass ein Verstoß gegen inländische oder ausländische Rechtshilfevorschriften nicht unmittelbar den Rechtskreis des Beschuldigten/Angeschuldigten berühren (Rechtskreistheorie).
Rz. 1251
Mitunter ist fraglich und ggf. zu ermitteln, ob im Ausland die dortigen gesetzlichen Voraussetzungen vorlagen, rechtliche Mindeststandards eingehalten wurden, oder ob eine vergleichbare Maßnahme nach deutschem Recht überhaupt möglich gewesen wäre.
Beispiel
In einem deutschen Steuerstrafverfahren sollen ausländische Erkenntnisse aus einer Überwachung der Telekommunikation verwendet werden; die Aussage eines im Ausland befindlichen Zeugen kam unter erheblichem Druck zustande; dem im Ausland befindlichen Zeugen wurde konkludent Folter in Aussicht gestellt.
Im Wege der Rechtshilfe im Ausland erlangte Erkenntnisse sind im deutschen Strafverfahren grundsätzlich unter den Voraussetzungen verwertbar, wie im Inland erlangte Beweismittel. So können etwa Vernehmungsniederschriften, wie die Protokolle einer inländischen richterlichen Vernehmung, verlesen werden.
Rz. 1252
Ausländische Verfahrensfehler sind hierbei grds. unbeachtlich. Die Frage der Beweisgewinnung an sich richtet sich nach dem Recht des ersuchten Staates (locus regit actum). Etwas anderes gilt nur gem. Art. 4 EU-RhÜbK 2000 (forum regit actum). Die Prüfung erfolgt hierbei regelmäßig in zwei Schritten: 1. Sind die Beweise im ersuchten Staat nach dortigem Recht zulässig erhoben? 2. Verstoßen die dortigen Regelungen und das Verfahren gegen wesentliche inländische Grundsätze? Auf die Urteilsfindung ist von deutschen Strafgerichten stets deutsches Recht (lex fori) anzuwenden. Die Frage der Verwertbarkeit einer Aussage bestimmt sich mithin nach deutschem Recht.
Rz. 1253
Eine Zurechnung des Verfahrensgangs in Mitgliedstaaten der EMRK unabhängig davon, ob die konkret betroffenen Verfahrenshandlungen dem jeweils nationalen Verfahrensrecht entsprechen oder nachteilig für den Beschuldigten sind oder nicht, findet nicht statt. Die Verwertbarkeit mittels Rechtshilfe eines ausländischen Staates gewonnener Beweise richtet sich nach der Rechtsordnung des um diese Rechtshilfe ersuchenden Staates.
Rz. 1254
Eine für das Steuerstrafrecht bedeutsame Einschränkung hinsichtlich der Verwertbarkeit findet sich in Art. 50 Abs. 3 SDÜ, wonach der ersuchende Staat nur mit vorheriger Zustimmung des ersuchten Staates die erlangten Erkenntnisse für andere als in dem Ersuchen bezeichnete Ermittlungsverfahren verwendet.
b) Einzelfälle
Rz. 1255
Aus einem bloßen Verstoß gegen das Territorialprinzip kann ein Beweisverwertungsverbot zugunsten des Beschuldigten indes nicht hergeleitet werden. Sein Rechtskreis ist insofern nicht betroffen. Etwas anderes kann gelten, wenn der Rechtshilfeweg willkürlich und absichtlich umgangen wird und die völkerrechtliche Norm individualschützenden Charakter entfaltet. Mitunter wird davon ausgegangen, dass, wenn das Territorialprinzip sich auch primär auf die Souveränität des jeweiligen Staates bezieht, i...