a) Informationseinholung durch deutsche FinB
Rz. 725
Die Rechtsgrundlagen für den grenzüberschreitenden Auskunftsverkehr finden sich in einer Reihe von Normen. Zentrale Regelung des innerstaatlichen Rechts ist § 117 AO .
Rz. 726
Nach § 117 Abs. 1 AO ist die Inanspruchnahme der Amtshilfe durch inländische FinB zur Durchführung von Besteuerungsverfahren nach Maßgabe des deutschen Rechts möglich. Dies ist eine spezielle Ausprägung des Amtsermittlungsprinzips (vgl. § 85 AO). Nach überwiegender Ansicht stellt § 117 Abs. 1 AO allein, d.h. ohne Hinzutreten einer weiteren speziellen Norm, eine ausreichende Rechtsgrundlage für den grenzüberschreitenden Auskunftsverkehr zugunsten der deutschen Finanzverwaltung dar. Für Auskunftsersuchen der inländischen Finanzämter ist daher (zunächst) weder eine spezielle Ermächtigungsgrundlage etwa nach dem EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG) oder einer vergleichbaren Umsetzungsvorschrift noch eine DBA-Auskunftsklausel erforderlich. Derartige Regelungen werden erst bei der durch den um Information ersuchten Staat zu beantwortenden Frage, ob die Erteilung der begehrten Auskunft durch ausländische FinB zulässig ist, relevant.
Rz. 727
Gleichwohl ist die Finanzverwaltung gehalten, Auskunftsersuchen an ausländische Behörden nur auf Fälle mit besonderer Bedeutung zu beschränken, wenn der ausländische Staat nicht Mitglied der EU ist und auch kein Informationsaustausch in einem DBA oder einem vergleichbaren Vertrag vereinbart ist. Ob eine Auskunft eingeholt oder gewährt werden soll, entscheidet das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), soweit für die Auskunftserteilung keine Verpflichtung besteht, nach seinem Ermessen. Hierbei gelten die allgemeinen Ermessensgrenzen Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit, Erfüllbarkeit und Zumutbarkeit. Die Entscheidung über die Einholung oder Gewährung einer Auskunft stellt keinen Verwaltungsakt dar, da sie nicht auf unmittelbare Wirkung nach außen gerichtet ist. Dem Anspruch auf Rechtsschutz wird aber dadurch entsprochen, dass der betroffene Stpfl. vor Stellung des Auskunftsersuchens oder Erteilung der Auskunft gehört wird.
Rz. 728
Für die zwischenstaatliche Amtshilfe ist – wie auch bei der Inanspruchnahme innerstaatlicher Amtshilfe – deutsches Recht maßgeblich, d.h. es müssen zunächst die Voraussetzungen der nationalen Amtshilfe (§§ 111 ff. AO) vorliegen. Vor allem muss die Amtshilfe zur Durchführung eines inländischen Besteuerungsverfahrens erforderlich sein (vgl. § 111 Abs. 1 AO). Ausländische FinB dürfen regelmäßig bereits dann um Amtshilfe ersucht werden, wenn die deutsche FinB aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen im Inland oder aus staatsrechtlichen Gründen im Ausland die Ermittlungen nicht oder nur mit wesentlich größerem Aufwand als die ersuchte Auslandsbehörde vornehmen könnte (vgl. § 112 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 AO).
Rz. 729
§ 117 AO kommt lediglich subsidiär zur Anwendung. Denn Art. 1 Abs. 1 EUAHiRL, Art. 5 Abs. 1 EU-BeitrRL und die Auskunftsklauseln der DBA (Art. 26 Abs. 1 OECD-MA) und der INfAust/TIEA (Art. 1 Satz 1 TIEA-MA) stelllen darauf ab, ob die Auskünfte für Zwecke der Besteuerung voraussichtlich erheblich sind. Die Begriffe "erforderlich" und "erheblich" sind dabei insoweit unterschiedlich, als das, was erheblich ist, nicht stets auch erforderlich sein muss. Erforderlich sind Auskünfte erst dann, wenn diese für die Besteuerung rechtlich erheblich und vom ersuchenden Staat auch nach Ausschöpfung eigener Auskunftsquellen nicht erreichbar sind. Die zwischenstaatliche Amtshilfe darf mithin erst in Anspruch genommen werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch den inländischen Beteiligten im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 2 Satz 4 AO) nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO), es sei denn, die Durchführung der Ermittlungen wäre mit unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten verbunden oder nicht erfolgversprechend (vgl. § 6 Abs. 3 EUAHiG; § 93 Abs. 1a Satz 2 AO). Dies gilt insb., wenn die Steufa im Besteuerungsverfahren tätig wird und die Erreichung des Ermittlungsziels anderenfalls gefährdet wäre, was regelmäßig der Fall sein dürfte.
b) Informationsgewährung gegenüber ausländischen FinB
Rz. 730
Während § 117 Abs. 1 AO die zwischenstaatliche Amtshilfe aus deutscher Sicht regelt, betrifft § 117 Abs. 2 AO umgekehrt die von deutschen Behörden zu leistende Informationshilfe. Danach können die deutschen Finanzämter u.a. aufgrund innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Vereinbarungen sowie des EUAHiG zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe leisten. Rechtsgrundlagen für die Gewährung zwischenstaatlicher Rechts- und Amtshilfe sind insb. Art. 5 EUAHiRL, § 4 EUAHiG, Art. 5 EU-BeitrRL, § 5 Abs. 1 EUBeitrG, Art. 5, 7 und 9 MwSt-ZVO; Art. 8 VerbrSt-ZVO sowie die Auskunftsklauseln der DBA (Art. 26 Abs. 1 OECD-MA) und die besonderen Abkommen über Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, die ...