I. Entstehungsgeschichte
Rz. 1
§ 399 AO entspricht dem seinerzeitigen § 433 RAO. Die Vorschrift des § 433 RAO war im Zuge der Reform des Steuerstrafverfahrensrechts erlassen worden, die aufgrund der Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 1967 über die Verfassungswidrigkeit der Strafgewalt der Finanzämter notwendig geworden war. Durch sie wurde das Verhältnis zwischen dem Finanzamt als Ermittlungsbehörde und der Staatsanwaltschaft grundlegend anders geregelt als das frühere finanzrechtliche Verwaltungsverfahren. In diesem sog. Verwaltungsstrafverfahren war dem Finanzamt eine selbständige Position als Strafverfolgungsbehörde eingeräumt. Es wurde gleichgeordnet neben der Staatsanwaltschaft tätig.
§ 433 RAO wurde inhaltlich nahezu unverändert in die AO 1977 als § 399 AO übernommen. Es wurden lediglich die Begriffe "Finanzamt" durch "Finanzbehörde" und "Steuervergehen" durch "Steuerstraftaten" ersetzt. Durch die Wendung "sonstige Maßnahmen" in § 399 Abs. 2 Satz 2 AO sollte klargestellt werden, dass der Finanzbehörde bei Zuständigkeitsverlust gem. § 387 Abs. 2 AO alle Befugnisse zustehen, die allgemein Ermittlungsbeamte haben.
II. Bedeutung und Anwendungsbereich der Vorschrift
Rz. 2
Die Vorschrift des § 399 Abs. 1 AO ergänzt die Kompetenzzuweisungsnorm des § 386 AO und weist der Finanzbehörde in Form einer Generalklausel die Rechte und Pflichten zu, die der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zustehen. Sie betrifft allein solche Ermittlungsverfahren, welche die Finanzbehörde anstelle der Staatsanwaltschaft gem. § 386 Abs. 2 AO selbständig durchführt, d.h. Steuerstrafverfahren (§ 386 Abs. 2 Nr. 1 AO i.V.m. § 369 Abs. 1 Nr. 1–4 AO) sowie Verfahren, die Begleitdelikte (§ 386 Abs. 2 Nr. 2 AO; s. § 386 Rz. 72 f., zu einem möglichen Verwertungsverbot vgl. § 386 Rz. 183 ff.) oder sog. Analogtaten zum Gegenstand haben. (s. § 386 Rz. 55). Bei allgemeinen Straftaten ist und bleibt ausschließlich die Staatsanwaltschaft Herrin des Verfahrens (s. näher dazu § 386 Rz. 22 ff.).
Der Hintergrund der Regelung ist zum einen die Ausnutzung der Sachkunde der Steuerbehörde, zum anderen ist es nur verfahrensökonomisch, wenn ein und dieselbe Behörde mit der Prüfung eines Steuervorgangs befasst wird.
Rz. 3
Eine Sonderregelung enthält § 399 Abs. 2 AO für den Fall, dass aufgrund des § 387 Abs. 2 AO für die Bereiche mehrerer Finanzbehörden sog. Gemeinsame Strafsachenstellen bzw. ein sog. Strafsachenfinanzamt eingerichtet worden sind (s. § 387 Rz. 35 ff.).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Folgenden weitgehend auf die zusammenhängenden Erläuterungen zur Rechts- und Pflichtenstellung von Staatsanwaltschaft/Finanzbehörde im Ermittlungsverfahren verwiesen werden (vgl. die Darstellung zu § 386 Rz. 46 ff.).
Rz. 4– 9
Einstweilen frei.