Rz. 738
Sowohl das EUAHiG als auch Auskunftsklauseln nach den DBA erlauben Auskünfte auf Ersuchen in einem konkreten Einzelfall. Der ersuchte Staat ist in den Fällen zur Auskunft verpflichtet, in denen der ersuchende Staat einen Anspruch auf Auskunftserteilung hat.
Rz. 739
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EUAHiG erstellen die inländischen FinB auf ein Ersuchen hin alle Antworten, die für die Festsetzung von Steuern nach § 1 EUAHiG voraussichtlich erheblich sind. Die EUAHiRL zielte insb. darauf ab, "Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und aggressive Steuerplanung" zu bekämpfen.
Rz. 740
Wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 EUAHiG vorliegen, hat die um Auskunft ersuchte inländische Behörde die entsprechende Auskunft zu erteilen (Pflichthilfe). Die Auskunftserteilung liegt nicht im Ermessen der Behörde; es handelt sich um eine sog. gebundene Entscheidung. Die inländische FinB trifft sogar eine Beschaffungspflicht, denn nach § 4 Abs. 1 Satz 4 EUAHiG müssen u.a. nach pflichtgemäßem Ermessen Ermittlungshandlungen sogar ergriffen werden, wenn die Behörde nicht über die Informationen verfügt. Dies kann auch nicht mit dem Hinweis darauf abgelehnt werden, dass die ersuchten Informationen für die Besteuerung in Deutschland keine Bedeutung haben (§ 4 Abs. 4 Satz 1 EUAHiG). Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EUAHiG erteilen die FinB die Auskünfte unter Beachtung der Verfahrensbestimmungen in § 117 Abs. 4 AO. Folglich stehen den deutschen FinB für die Durchführung der Amtshilfe dieselben Befugnisse wie für die (eigene) Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen zur Verfügung.
Rz. 741
Mit § 5 Abs. 1 EUAHiG sind verbindliche Fristen für die Beantwortung von Auskunftsersuchen aus Mitgliedstaaten geregelt. Die Informationen nach § 4 EUAHiG sind danach grds. unverzüglich, spätestens nach sechs Monaten nach Erhalt des Ersuchens zu übermitteln (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EUAHiG). Ist die inländische Behörde bereits im Besitz der Information, verkürzt sich diese äußerste Frist auf zwei Monate (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EUAHiG).
Rz. 742
Ein Bankgeheimnis – das in Deutschland ohnehin nicht gilt – ist nicht geschützt. Informationen, die sich bei einer Bank, einem sonstigen Finanzinstitut, einem Bevollmächtigten, Vertreter oder Treuhänder befinden oder sich auf Eigentumsanteile an einer Person beziehen (Art. 18 Abs. 2 EUAHiRL, § 4 Abs. 5 EUAHiG) sind zu übermitteln. Die Regelung entspricht dem OECD-Standard und ist auch in Art. 26 Abs. 5 OECD-MA und Art. 5 Abs. 4 TIEA-MA verankert.
Rz. 743
Steuerliche Auskunftsersuchen können über die EU-Beitreibungsrichtlinie (EU-Beitreibungsgesetz) dazu genutzt werden, Vermögenswerte eines Beschuldigten, etwa zur Vorbereitung eines strafprozessualen Arrestes, aufzuspüren. Denn es reicht aus, dass aus der Sicht des ersuchenden Mitgliedstaats die begehrten Auskünfte bei einer beabsichtigten Vollstreckungsmaßnahme Verwendung finden könnten. Denn im Vorfeld zu entsprechenden, sich anschließenden Beitreibungersuchen ist es erforderlich zu wissen, ob und bejahendenfalls in welcher Höhe entsprechende Vermögenswerte vorhanden sind. Ein entsprechendes Auskunftsersuchen kann auch Haftungsschuldner und sonstige Personen betreffen, die im Besitz von Vermögenswerten des Schuldners oder Haftungsschuldners sind.
Rz. 744
Die MwSt-ZVO und die VerbrSt-ZVO betreffen die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und den grenzüberschreitenden Informationsaustausch im Unionsgebiet. Es geht hierbei vornehmlich um die "Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs". In Fällen des organisierten Mehrwertsteuerbetrugs erhält Eurofise als Netzwerk für die multilaterale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs Zugang zu den Daten des MwSt-Informationsaustauschsystems (MIAS), von Europol und des Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) (Art. 33, 36 MwSt-ZVO). Die erhaltenen Informationen dürfen ohne weiteres auch für Zwecke des Steuerstrafrechts und des Steuerordnungswidrigkeitenrechts verwendet werden
Rz. 745
Einzelauskunftsersuchen sind auch von Art. 26 Abs. 1 OECD-MA abgedeckt, da danach die Informationen ausgetauscht werden können, die zur Abkommensdurchführung oder für das innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten voraussichtlich erheblich sind. Eine Namensnennung des betroffene Stpfl. ist hierbei nicht erforderlich. Ausreichend, dann aber erforderlich ist, dass die ersuchende Behörde andere Fakten, tatsächliche Umstände etc. im Auskunftsersuchen anführt, mithilfe derer eine Identifizierung des Stpfl. im ersuchten Staat möglich ist.