Rz. 1018
Eine EEA ist gem. Art. 1 RL EEA eine gerichtliche Entscheidung, die von einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats ("Anordnungsstaat") zur Durchführung einer oder mehrerer spezifischer, auch vorläufiger (Art. 32 RL EEA) Ermittlungsmaßnahme(n) in einem anderen Mitgliedstaat ("Vollstreckungsstaat") zur Erlangung von Beweisen erlassen oder validiert wird. Die EEA kann nur von einem Staatsanwalt, Richter/Ermittlungsrichter erlassen oder bestätigt werden (Art. 2 Buchst. c RL EEA) oder von jeder anderen vom Anordnungsstaat bezeichneten zuständigen Behörde, die in dem betreffenden Fall in ihrer Eigenschaft als Ermittlungsbehörde in einem Strafverfahren nach nationalem Recht für die Anordnung der Erhebung von Beweismitteln zuständig ist, wobei im letzteren Fall eine Validierung durch einen Richter, ein Gericht, einen Ermittlungsrichter oder einen Staatsanwalt im Anordnungsstaat zu erfolgen hat (Art. 2 Buchst. c Doppelbuchst. ii RL EEA). In Deutschland kann dies aber nicht durch die Polizeibehörden oder die Steufa geschehen (§ 91j Abs. 2 IRG). Örtlich zuständig für eingehende EEA ist die Staatsanwaltschaft bei dem LG, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat. Die Länder können indes die Zuständigkeit einem bestimmten Gericht zuweisen oder die örtliche Zuständigkeit abweichend regeln (§ 91j Abs. 2 IRG).
Rz. 1019
Die Voraussetzungen der Zulässigkeit für eingehende EEA sind nunmehr in § 91b IRG geregelt. Danach ist die Leistung von Rechtshilfe nicht zulässig, wenn sie im Gesetz besonders bezeichnete Straftaten oder Straftaten von einer bestimmten Erheblichkeit voraussetzt und die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat diese Voraussetzung auch bei ggf. sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts nicht erfüllt, oder Zeugnisverweigerungs- oder Auskunftsverweigerungsrechte entgegenstehen (§ 91b Abs. 1 IRG). Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, dass die hohen Eingriffsvoraussetzungen der StPO für besonders sensible Ermittlungsmaßnahmen auch bei grenzüberschreitenden Beweiserhebungen eingehalten werden.
Rz. 1020
Es wird unterschieden zwischen Zulässigkeitsvoraussetzung und Bewilligungshindernissen. Das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen ist Bedingung für die Bewilligungsfähigkeit eines eingehenden Ersuchens. Sobald die Bewilligung des eingehenden Rechtshilfeersuchens erfolgt, richtet sich die Vornahme alsdann nach dem innerstaatlichen Verfahrensrecht.
Rz. 1021
Die EEA basiert auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, so dass ein eingehendes Ersuchen nur dann abgelehnt werden darf, wenn die Richtlinie dies ausdrücklich vorsieht. (§ 91b Abs. 1 IRG).
Rz. 1022
Die EEA kann auch in Bezug auf die Erlangung von Beweismitteln, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befinden, erlassen werden. Insofern wird auch dem Grundsatz der Verfügbarkeit von Informationen Rechnung getragen. Auch vorläufige Maßnahmen sind nach Art. 32 RL EEA möglich, um die Vernichtung, Veränderung, Entfernung, Übertragung oder Veräußerung von Gegenständen, die als Beweismittel dienen können, zu verhindern. Daraus dürfte zu folgern sein, dass eine grenzüberschreitende Vermögensabschöpfung von der EEA nicht erfasst ist, da der Rahmenbeschluss ausdrücklich von Beweismitteln spricht.
Rz. 1023
Anwendungsbereich: Gemäß § 91a Abs. 2 IRG, der lediglich klarstellende Funktion hat, findet die EEA keine Anwendung bei der Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen oder bei der Erhebung von Beweismitteln innerhalb von Ermittlungsgruppen, bei grenzüberschreitenden Observation und bei Vernehmungen von Beschuldigten im Wege der Telefonkonferenz.
Die Sicherstellung von Beweismitteln richtet sich nach § 91a Abs. 1 IRG. Was die Einziehung betrifft, sind weiterhin die §§ 94–96 IRG anzuwenden (§ 91a Abs. 3 IRG).
Rz. 1024
Ersuchen in Steuerabgaben- Zoll- oder Währungsangelegenheiten sind auch zulässig, wenn das deutsche Recht keine gleichartigen Steuer,- Abgaben –, Zoll- oder Währungsbestimmungen wie das Recht des ersuchenden Mitgliedstaates enthält (§ 91b Abs. 2 IRG).
Rz. 1025
Der Erlass einer EEA kann gem. Art. 1 Abs. 3 RL EEA auch von einer verdächtigen oder beschuldigten Person oder in deren Namen von einem Rechtsanwalt beantragt werden, soweit dies im Rahmen der geltenden Verteidigungsrechte im Einklang mit dem nationalen Strafverfahrensrecht möglich ist.
Rz. 1026
Wie beim Europäischen Haftbefehl folgt die EEA dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung (vgl. Art. 82 AEUV). Bei dem Erlass einer EEA sind die Voraussetzungen und Schranken zu beachten wie bei vergleichbaren innerstaatlichen Ermittlungen (Art. 6 Abs. 1b RL EEA). Die Bindung an innerstaatliches Recht entfällt mithin nicht, so dass insb. die Möglichkeit des "Forum-Shoppings" grds. nicht eröffnet wird; so können etwa die hohen inländischen Hürden bzgl. einer Überwachung der Telekommunikation nicht umgangen werden.
Voraussetzung fü...