Rz. 330
Inwiefern nun strafrechtlich bereits abgeschlossene Steuerstrafverfahren im Hinblick auf einzuziehende Vermögenswerte neu überprüft werden, bleibt abzuwarten. Anlass für eine solche Prüfung könnten insb. steuerliche Selbstanzeigen sein, die über den strafrechtlich relevanten Zeitraum, wie häufig, hinausgingen. Auch bei erstinstanzlichen Urteilen, die nach erfolgreichem Revisionsverfahren zurückverwiesen werden, kommt die Anordnung einer nunmehr erstmaligen Einziehung nicht in Betracht.
Rz. 331
Gegen die Anwendung der Einziehung in solchen Fällen spricht auch weiterhin, dass die Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB als Strafe i.S.v. Art. 7 EMRK zu qualifizieren sein kann. In einem Fall des LG Kaiserslautern beantragte die Staatsanwaltschaft nach Zurückverweisung durch den BGH in der neuen Hauptverhandlung die Einziehung von Vermögenswerten. Auch wenn Art. 316h Satz 1 EGStGB die grundsätzliche Anwendung der neuen Regelung der Vermögensabschöpfung auch auf bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes begangene Straftaten erlaubt, verstößt dies nach Ansicht des LG Kaiserslautern gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK. Das LG Kaiserslautern führt dabei zutreffend aus, dass der Begriff der Strafe i.S.v. Art. 7 EMRK nach der Rspr. des EGMR autonom auszulegen ist und selbst bei präventiv wirkenden Maßnahmen angenommen werden kann. Auf die Bezeichnung einer Maßnahme durch den nationalen Gesetzgeber kommt es in der Tat nicht an. Das LG Kaiserslautern geht zutreffend von einer vergleichbaren Wirkung aus. Der Angeklagte sehe sich in der Folge der Gesetzesänderung weitreichenderen Nachteilen ausgesetzt, als er dem im Zeitpunkt der Begehung und Beendigung der Tat ausgesetzt war. Da ein Täter nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers für eine begangene Tat nicht nur eine Strafe erhalten, sondern er vielmehr mit dem Verlust des erlangten Gutes zusätzlich sanktioniert werden soll, misst das LG Kaiserslautern den Vorschriften der §§ 73 ff. StGB n.F. bestrafenden Charakter i.S.d. Rspr. des EGMR bei. Das LG Kaiserslautern lehnte letztlich die Anordnung der Einziehung wegen des Verstoßes gegen das Verschlechterungsverbot gem. § 358 Abs. 2 StPO ab.
Rz. 332
Die Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung führte nach neuerer Rspr. des BGH zwar zu einer Änderung des Begriffs der Maßnahme, lässt indes den Rechtscharakter unberührt. Daher bestehe auch kein Anlass, von der bisherigen Rspr. abzuweichen, die aus der Rechtsnatur des Instituts abgeleitet hat, dass die mit dessen Anwendung verbundene Vermögenseinbuße regelmäßig keinen Strafmilderungsgrund darstellt. Die Entscheidung des BGH erging indes vornehmlich zu der Frage, ob die Einziehung im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen ist. Es wurde nicht ausdrücklich geführt, ob die Einziehung nicht doch im Einzelfall als Strafe anzusehen ist, insb. vor dem Hintergrund der Rspr. des EuGH.
Rz. 333
Nach hier vertretener Ansicht wird man auch künftig differenzieren müssen.
- Wird die Einziehung in Höhe dessen ausgesprochen, was der Täter oder Teilnehmer tatsächlich auch erlangt hat, wird mithin nur der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt, wird man nicht von einer Strafe sprechen können.
- Wird indes gegen den Täter oder Teilnehmer die Einziehung in Höhe eines darüber hinausgehenden Betrags angeordnet, kann sich die Anordnung der Einziehung ungeachtet der Entscheidung des BVerfG als Strafe darstellen. Dies wird namentlich in den Fällen in Betracht kommen, in denen gegen mehrere Tatbeteiligte (ungeachtet der Schwere des jeweiligen Tatbeitrags) jeweils in Höhe der vollen Summe die Einziehung (von Wertersatz) ausgeurteilt wird. Gleiches gilt, wenn in mehreren parallel geführten Verfahren gegen jeden Tatbeteiligten in voller Höhe die Einziehung angeordnet wird.