I. Gegenstand und Zweck der Regelung
Rz. 680
Nach § 387 Abs. 2 AO kann die Zuständigkeit in Steuerstrafverfahren durch Rechtsverordnung für den Bereich mehrerer Finanzbehörden auf eine Gemeinsame Strafsachenstelle oder ein Strafsachenfinanzamt übertragen werden (s. § 387 Rz. 34 ff.). Die Konzentration der Zuständigkeit hat zur Konsequenz, dass die Gemeinsame Strafsachenstelle die sich aus § 399 Abs. 1 AO ergebenden (staatsanwaltschaftlichen) Rechte und Pflichten als selbständige Ermittlungsbehörde wahrnimmt (s. dazu allgemein Rz. 40 ff.). In der Praxis ist davon ausgiebig Gebrauch gemacht worden. Diese Entwicklung war aber letztlich notwendig und dem AO-Gesetzgeber bekannt und von ihm geduldet. Probleme kann es insb. infolge der Einbindung und personellen Verquickung von StraBu und Steuerfahndung unter dem gemeinsamen Dach eines sog. Strafsachenfinanzamts geben (s. dazu näher § 387 Rz. 53 ff.).
Rz. 681
§ 399 Abs. 2 AO stellt eine Ergänzung dieser Zuständigkeitsregelung dar. Die Norm bestimmt, dass die "anderen sonst zuständigen Finanzämter [...] weiterhin das Recht und die Pflicht zum ersten Zugriff haben sowie die besonderen Befugnisse, die sonst den Hilfsbeamten [nunmehr ‚Ermittlungspersonen‘] der Staatsanwaltschaft vorbehalten sind. Sie haben also im Ergebnis die gleiche Stellung wie das sonst zuständige Finanzamt im Verfahren der Staatsanwaltschaft" nach § 402 Abs. 1 AO, damit also die polizeilichen Befugnisse (s. § 402 Rz. 9). Die Praxisrelevanz der Regelung ist jedoch äußerst gering. Einleitungen des Strafverfahrens durch die Betriebsprüfungsstellen oder Veranlagungsämter kommen kaum vor. Der Betriebsprüfer besitzt allenfalls eine Notkompetenz zum sofortigen Einschreiten (s. § 397 Rz. 15.2). Bei einem entsprechenden Tatverdacht ist er nach den Verwaltungsvorschriften gehalten, die Prüfung zu unterbrechen und unverzüglich die BuStra einzuschalten (vgl. § 10 BpO; § 397 Rz. 27 ff.).
II. Polizeiliche Befugnisse
Rz. 682
Aufgrund des § 399 Abs. 2 Satz 1 AO haben die Finanzbehörden, die aufgrund einer Zuständigkeitskonzentration nach § 387 Abs. 2 AO die Rechts- und Pflichtenstellung als Staatsanwalt im Steuerstrafverfahren verlieren, bei dem Verdacht einer Steuerstraftat den Sachverhalt zu erforschen und alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten (Recht des ersten Zugriffs, vgl. auch § 163 StPO). Sie haben damit die strafprozessualen Befugnisse der Polizei (s. die Aufzählung in § 404 Rz. 130 f.). Hierzu zählt auch das Recht zur vorläufigen Festnahme (§ 127 Abs. 2 StPO), jedoch unter der Einschränkung, dass ein richterlicher Haftbefehl nicht rechtzeitig erwirkt werden kann, und das Recht zur Identitätsfeststellung (§ 163b StPO).
Rz. 683
Darüber hinaus haben diese Behörden gem. § 399 Abs. 2 Satz 2 AO die Befugnisse der Ermittlungsbeamten der Staatsanwaltschaft, die über die des "gewöhnlichen" Polizeibeamten erheblich hinausgehen. Sie können bei Gefahr im Verzug Zwangsmaßnahmen wie
anordnen.
Diese Eilkompetenz greift aber wegen des Richtervorbehalts nur in äußersten Notfällen ein (s. Rz. 64 f. m.w.N.).
Rz. 684
Die Vorschrift des § 399 Abs. 2 AO wird durch § 402 Abs. 2 AO ergänzt, der eine entsprechende Regelung im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft vorsieht. Wegen der Einzelheiten s. § 402 Rz. 9.
Rz. 685– 699
Einstweilen frei.