Rz. 345
Die Neuregelung wird der Praxis zu Friktionen führen. Im Fall der praxisrelevanten Fälle des Zigarettenschmuggels kann die Einziehung in voller Höhe und gegenüber jedem an der Tat Beteiligten angeordnet werden.
Beispiel
A ist Teil einer Bande, die Verbrauchsteuern hinterzieht. In großem Maße vermittelt er in seinem Bekanntenkreis den Verkauf geschmuggelter Zigaretten. Pro Stange Zigaretten erhält A einen prozentualen Anteil an "Vermittlerprovision". Den restlichen Erlös leitet er an seine Hintermänner weiter.
In diesem Fall kann gegen A die Einziehung von Wertersatz in voller Höhe der von ihm veräußerten Zigaretten verhängt werden. Entscheidend soll sein, dass A zu einem bestimmten Zeitpunkt über die Gelder in voller Höhe verfügen konnte. Auch gegen die Hintermänner könnte jeweils die Einziehung von Wertersatz in voller Höhe verhängt werden. Ein Ausgleich hätte nach den Grundsätzen des Gesamtschuldnerinnenausgleichs zu erfolgen.
Rz. 346
Bei näherer Betrachtung führt obige Konstellation zu erheblichen Unbilligkeiten. Die Einziehung von Wertersatz gegen A könnte bspw. nur in anteiliger Höhe verhängt werden, wenn die Kunden direkt an die Hintermänner gezahlt hätten und A auch von diesen seine Vermittlungsprovision erhalten hätte. In der Praxis besteht die Gefahr zu befürchten, dass die Vordermänner im Vergleich zu den seltener zu ermittelnden Hintermännern über Gebühr belastet und die tatsächlichen Erlöse aus Straftaten auch weiterhin nur unzureichend abgeschöpft werden. Eine unbillige Härte war nach alter Rechtslage erst dann gegeben, wenn die Anordnung des Verfalls das Übermaßverbot verletzen würde, also schlechthin "ungerecht" wäre. Die Auswirkungen des Verfalls mussten nach Rspr. des BGH im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen. Es müssen auch nach der Reform besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer mit der Vollstreckung der Einziehung eine zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Einziehung nicht zugemutet werden kann. Diese Wertung dürfte bei Entscheidungen nach § 421 StPO (Absehen von der Einziehung) gelten. Auch nach § 459 Abs. 5 StPO unterbleibt auf Anordnung des Gerichts die Vollstreckung, soweit der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist oder die Vollstreckung sonst unverhältnismäßig wäre. Die vollstreckungsrechtliche Behandlung der Entreicherung des Tatbeteiligten bei gleichzeitiger Möglichkeit der Einziehung nachträglich entdeckter Vermögenswerte soll den Tatbeteiligten vor der Gefahr der erdrosselnden Wirkung der Anordnung der Wertersatzanordnung schützen. Die Problematik wurde nunmehr ins Vollstreckungsverfahren verlagert.