1. Grundsätze
Rz. 700
Steuerverfehlungen machen nicht vor der Staatsgrenze halt. Grenzüberschreitende Steuer- und Steuerstrafverfahren sind die Regel. Die deutschen FinB können jedoch nicht ohne weiteres auf im Ausland befindliche, für inländische Steuerverfahren relevante Informationen oder Beweismittel zugreifen, insb. keine hoheitlichen Akte ohne dessen Zustimmung setzen. Das Völkerrecht bestimmt, dass Ermittlungsmaßnahmen oder sonstige hoheitliche Akte der Steuerbehörden sich grds. auf das Hoheitsgebiet des jeweiligen Staates zu beschränken haben (sog. Territorialitätsprinzip). Die damit gesetzten Schranken bei der Sachverhaltsaufklärung können – nach Ausschöpfung der inländischen Ermittlungsmöglichkeiten (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO) – nur überwunden werden, wenn ausländische Behörden auf Ersuchen der deutschen Finanzverwaltung tätig werden. Zu beachten ist zunächst, dass bei Ermittlungen im Ausland stets auf das Recht des um Mitwirkung ersuchten Staates abzustellen ist. Hiermit korrespondiert das sog. Gegenseitigkeitsprinzip, wonach umgekehrt ausländische Behörden bezüglich Informationen aus bzw. bei Ermittlungsmaßnahmen auf deutschem Hoheitsgebiet auf die Unterstützung deutscher Behörden angewiesen sind, die auch regelmäßig in entsprechender Weise gewährt wird.
Rz. 701
Grenzüberschreitende Steuerstrafverfahren sind sowohl auf der steuerlichen als auch auf der strafrechtlichen Seite mittlerweile durch ein überaus hohes Maß an Kooperationsbereitschaft geprägt. Nur wenige, in der Praxis jedoch wenig relevante Staaten leisten keine oder nur unzureichende Amts- und Rechtshilfe. Neben dem (automatischen) Austausch und der Übermittlung steuerlicher Informationen, auch für das Steuerstrafverfahren, ist eine weitere zunehmende Tendenz auch bei der Durchführung – teils parallel erfolgender – strafprozessualer Zwangsmaßnahmen zu verzeichnen. Der Stpfl. und im Steuerstrafrecht Beschuldigte soll weder besser- noch schlechtergestellt werden, nur weil das Verfahren grenzüberschreitende Bezüge aufweist.
Rz. 702
Vor dem Hintergrund der erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten im Steuerrecht und angesichts des Nemo-tenetur Grundsatzes im Strafrecht gilt es, die daraus resultierenden Besonderheiten sowohl in materiell-rechtlicher Hinsicht (beispielsweise was steuerliche Beweislastregelungen betrifft) als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht im Auge zu behalten (§ 393 Rz. 34 ff.)
Rz. 703
Auf europäischer Eben tragen sowohl der Grundsatz der Verfügbarkeit von Informationen als auch der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung (Art. 82 Abs. 1 AEUV) zu einer stetigen Verbesserung der Amts- und Rechtshilfe bei. Europäische Behörden sollen miteinander kommunizieren und Informationen austauschen können, wie inländische Behörden und inländische strafrechtliche Entscheidungen (z.B. Durchsuchungsbeschlüsse) im europäischen Ausland anerkannt werden und durchzusetzen sind.
2. Rechtsgrundlagen der internationalen Amts- und Rechtshilfe
Rz. 704
Die Rechtsgrundlagen der internationalen Amts- und Rechtshilfe sind in zahlreichen multilateralen und bilateralen Verträgen sowie in innerstaatlichen Rechtsnormen verankert. Die Rechtsgrundlagen sind weitestgehend nicht aufeinander abgestimmt und überschneiden sich in vielfältiger Weise, ohne dass sie sich gegenseitig ausschließen. Überlagern sich die für die Gewährung zwischenstaatlicher Amts- und Rechtshilfe maßgeblichen Rechtsgrundlagen, gelten jeweils diejenigen Schrankenwirkungen – etwa Geheimnisschutz –, die die größte Reichweite zugunsten der Betroffenen entfalten. Daraus folgt, dass auch bei der Gewährung zwischenstaatlicher Amts- und Rechtshilfe in anderen Fällen (§ 117 Abs. 3 AO), z.B. bei Kulanzauskünften nicht nur die ausdrücklich in § 117 Abs. 3 AO genannten Voraussetzungen für die Auskunftserteilung, sondern insb. auch die in § 4 Abs. 3 und 4 EUAHiG aufgeführten Grenzen der Auskunftserteilung und das internationale Steuergeheimnis der Auskunftsklauseln der DBA zu beachten sind.
Rz. 705
Speziell für den steuerlichen Informationsaustausch sind folgende Rechtsquellen relevant:
- EU-Amtshilferichtlinie (EUAHiRL) vom 15.2.2011, umgesetzt durch das EUAHiG vom 26.6.2013