aa) Anrechnung gezahlter Steuern/Erlöschen des Steueranspruchs
Rz. 357
Ist der Steueranspruch erloschen, ist eine Einziehung unzulässig (§ 73e StGB). Dies gilt nicht für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind (§ 73e Abs. 1 Satz 2 StGB). Das Erlöschen i.S.v. § 73e StGB ist auch dann gegeben, wenn die Finanzbehörde aus verfahrens- oder prozessrechtlichen Gründen einen (vermeintlichen) Steueranspruch nicht (mehr) verwirklichen kann. Dies gilt insb. dann, wenn bereits ein finanzgerichtliches Urteil vorliegt. Krumm merkt zu Recht an, dass die Einziehungsregeln kein Instrument sind, um einen von der Finanzgerichtsbarkeit in einem Steuerrechtsstreit verneinten Steueranspruch durch die Hintertür des Strafrechts doch noch beizutreiben. Existiert zum Zeitpunkt der Arrestanordnung bereits ein (vorläufiger) Verwaltungsakt, markiert dieser nach einer Ansicht die betragsmäßige Höchstgrenze der Wertersatzeinziehung. Sofern die Finanzbehörde den Verwaltungsakt aufgrund der steuerstrafrechtlichen Ermittlungsergebnisse bereits geändert hat, ist der Änderungsbescheid maßgeblich.
Rz. 358
Es besteht Einvernehmen, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen (Prinzip der Besteuerung nach den wirtschaftlichen Grundsätzen) eine Doppelbelastung durch gezahlte Steuern auf den Gewinn plus vollständige Abschöpfung desselben im Strafrecht nicht erfolgt. Zur Vermeidung soll seitens der Gerichte die erfolgte und gezahlte Besteuerung des Tatgewinns berücksichtigt werden (sog. "strafrechtliche Lösung"). Alternativ mindert bei einem Nebeneinander von Steuerrecht und Abschöpfungsrecht der gezahlte Abschöpfungsbetrag die steuerliche Bemessungsgrundlage (sog. "steuerrechtliche Lösung"). So ist im Regelfall bspw. der Bestechungslohn für das Jahr des Zuflusses zu versteuern, während der Abfluss der Einziehung erst für das Jahr wirksam wird, in dem auch der Betrag an die Staatskasse gezahlt wurde. Der Gesetzgeber hat sich letztlich für die steuerrechtliche Lösung entschieden. Somit sind im neuen § 73d StGB die steuerlichen Belastungen der Tatgewinne nicht als Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen (Drittbegünstigten) abzugsfähig.
Rz. 359
In der Praxis führt auch diese Regelung zu neuen, ungeahnten Problemen. So ist weiterhin nicht gänzlich klar, ob das Erlöschen des Anspruchs i.S.v. § 73e StGB im Gleichklang mit den steuerlichen Erlöschensvorschriften steht. Nach der neuen Gesetzeslage soll eine Abschöpfung 30 Jahre rückwirkend möglich sein (§ 76b StGB). Die Verjährung beginnt mit der Beendigung der rechtswidrigen Tat, durch oder für die der Täter oder Teilnehmer oder der andere i.S.d. § 73b StGB etwas erlangt hat. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen jedoch insb. durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225 AO), Aufrechnung (§ 226 AO), Erlass (§§ 163, 227 AO), Verjährung (§§ 169–171, §§ 228–232 AO), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ansprüchen (§ 47 AO). Steuerliche Ansprüche verjähren i.d.R. nach vier Jahren, im Fall der Steuerhinterziehung nach zehn Jahren, im Falle von Verbrauchsteuern sogar nach einem Jahr (§ 169 AO). Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO). Die Lösung, dass die steuerrechtlichen Vorschriften, abgesehen von der Frage der Verjährung, über das Erlöschen maßgeblich sind, wird anhand der nachfolgenden Praxisfälle verdeutlicht.
bb) Tatsächliche Verständigung
Rz. 360
Ungeklärt ist weiter, ob eine tatsächliche Verständigung ein Erlöschen i.S.v. § 73e StGB bewirkt. Immerhin soll die Regelung des § 73e StGB "vergleichsfreundlich" wirken. Nach hier vertretener Ansicht muss das Gleiche gelten, was auch sonst für das Bestehen, Erlöschen oder die Durchsetzbarkeit von Steueransprüchen insb. der Höhe nach gilt. Findet bspw. eine tatsächliche Verständigung über 500.000 EUR statt, kann eine strafrechtliche Vermögensabschöpfung nicht weiter gehen, auch wenn Staatsanwaltschaft oder Gericht von einem höheren Schaden ausgehen.
Beispiel
Das Finanzamt schließt mit A eine tatsächliche Verständigung über 500.000 EUR. Die Staatsanwaltschaft erhebt gleichwohl Anklage mit Gesamtschaden von 1,2 Mio., da sie sich an das Ergebnis der tatsächlichen Verständigung nicht gebunden fühlt. Abwandlung: Das Gericht stellt im Hauptverfahren auf der Grundlage eigener Feststellungen einen höheren Schaden fest.
Meines Erachtens ist aus der T...