1. Einführung
Rz. 150
Nicht nur begrifflich, sondern auch gedanklich sind die Herausgabe und Beschlagnahme von Beweismitteln strikt vom eher tatsächlich geprägten Zwangsmittel der Durchsuchung abzugrenzen. Hinter den Vorschriften zur Durchsuchung steht das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung.
Art. 13 Abs. 1 und 2 GG lauten:
(1) Die Wohnung ist unverletzlich.
(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.
Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Damit wird dem Einzelnen ein elementarer Lebensraum gewährleistet, wo er das Recht hat, in Ruhe gelassen zu werden. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greifen Durchsuchungsmaßnahmen schwerwiegend ein. Der Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG erstreckt sich auch auf geschäftlich genutzte Räume, die nicht allgemein zugänglich sind. Daneben stellt die Durchsuchung auch einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar. Die Durchsuchung sowohl bei Beschuldigten als auch bei Zeugen ist daher nur unter engen Voraussetzungen möglich.
Rz. 151
Die Durchsuchung ist das mitunter wichtigste Ermittlungsinstrument in einem Steuerstrafverfahren. Nur so ist es i.d.R. möglich, den Nachweis zu führen, dass Steuern hinterzogen wurden, etwa was nicht erfasste Einkünfte bei Gewerbebetrieben betrifft. Hierzu ist es in aller Regel erforderlich, insb. die Buchhaltung des Beschuldigten zu sichten oder Erkenntnisse über weitere, nichtversteuerte Einkünfte zu erlangen (Schattenbuchführung, Kassenmanipulation, Schwarzverkäufe etc.).
2. Durchsuchung beim Verdächtigen (§ 102 StPO)
Rz. 152
Bei demjenigen, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde. Als Verdachtsgrad genügt ein bloßer Anfangsverdacht. Die Durchsuchung gehört zu den wichtigsten Ermittlungsinstrumenten der Steuerfahndung. Spätestens mit Vollstreckung des Durchsuchungsbeschlusses ist dem Beschuldigten die Einleitung des Verfahrens bekannt gegeben. Der Verdächtige muss noch nicht Beschuldigter sein. Es gelten die allgemeinen Anforderungen und Voraussetzungen (zum Ganzen § 385 Rz. 242 f.). Auch bei Durchsuchungen im Ausland aufgrund eines Rechtshilfeersuchen beanspruchen die deutschen Verfahrensnormen Geltung. Bei Durchsuchungen in Unternehmen kann die Durchsuchung nur auf solche Räume ausgedehnt werden, auf welche der Beschuldigte unmittelbar Zugriff hat. Andere Räumlichkeiten sind nach § 103 StPO zu durchsuchen (§ 385 Rz. 1031).
3. Durchsuchung beim Unverdächtigen (§ 103 StPO)
Rz. 153
Bei anderen Personen als dem Beschuldigten, also unverdächtigen Dritten und/oder Zeugen, sind Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Aufgrund der Unverdächtigkeit des Anordnungsadressaten, der durch sein Verhalten auch aus Sicht der Ermittlungsbehörden in keiner Weise Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben hat, sind erhöhte Anforderungen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu stellen.
Rz. 154
Die Ermittlungsbehörden müssen sich nach vereinzelt vertretenen Auffassungen grundsätzlich nicht unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit darauf verweisen lassen, bei Dritten um die Herausgabe von Gegenständen zu bitten, ohne eine (unangekündigte) Durchsuchung vornehmen zu können. Eine aus Verhältnismäßigkeitsgründen ableitbare Vorgabe gegenüber den Ermittlungsbehörden, der zufolge sie bei der Beweisunterdrückung nicht konkret verdächtigen Durchsuchungsadressaten zunächst eine Aufforderung um Vorlegung und Auslieferung vorzunehmen hätten, existiert nicht und ist auch im Fall der Durchsuchung bei Berufsgeheimnisträgern auf Gegenstände eines deren Dienste in Anspruch nehmenden Beschuldigten nicht anzunehmen. Nach hier vertretener A...