Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
I. Allgemeines
Rz. 26
Gemäß § 400 Halbs. 1 AO beantragt die FinB den Erlass eines Strafbefehls, wenn
- sie die Ermittlungen abgeschlossen hat (s. Rz. 32), d.h. wenn weitere Ermittlungen nicht möglich oder für den weiteren Fortgang der Strafverfolgung nicht mehr erforderlich sind,
- die Ermittlungen genügend Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten (s. Rz. 45 ff.) und
- die Strafsache zur Behandlung im Strafbefehlsverfahren geeignet erscheint (s. Rz. 53 ff.).
Andernfalls legt die FinB die Akten der StA vor (§ 400 Halbs. 2 AO, s. Rz. 129 ff.).
Des Weiteren hat die FinB besondere Ausschlussgründe für das Strafbefehlsverfahren zu beachten (s. Rz. 34 ff.).
II. Abschluss- und Antragskompetenz
Rz. 27
Die eigenverantwortlich ermittelnde FinB i.S.d. § 386 Abs. 1 Satz 2 AO (s. § 386 Rz. 31 ff.) hat die Befugnis, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren nach § 400 AO durch den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls abzuschließen. Dies hat das BVerfG bestätigt, indem es die Vorlagebeschlüsse des AG Braunschweig, das die Kompetenznormen der § 386 Abs. 2, §§ 399, 400 AO für mit Art. 20 GG nicht vereinbar gehalten hatte, verworfen hat.
Rz. 27.1
Auch die FKS hat nach neuem Recht (vgl. §§ 14a-14c SchwarzArbG i.d.F. des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch vom 11.7.2019) nach Abgabe durch die StA die Möglichkeit, Verfahren selbständig zu führen, sofern die Tat ausschließlich eine Straftat nach § 266a StGB darstellt (s. § 385 Rz. 101, § 370 Rz. 1292).
Bei Abschluss der Ermittlungen kann die FKS entscheiden, ob das Strafverfahren für die Behandlung im Strafbefehlsverfahren geeignet ist oder eine Rückgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgen soll (vgl. § 14b Abs. 3 SchwarzArbG).
Rz. 28
Behördenintern wird diese Befugnis durch die Straf- und Bußgeldsachenstelle bzw. das HZA, die FKS oder die Kindergeldstelle wahrgenommen (s. § 385 Rz. 81, 83, 101).
Rz. 29
Der Mitarbeiter der BuStra bzw. des HZA/der FKS, der einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls stellt, braucht insoweit nicht die Befähigung zum Richteramt zu haben, obwohl es bei Strafbefehlsanträgen der Zollverwaltung geboten erscheint, dass die Amtsträger zumindest eine einem Amtsanwalt vergleichbare Qualifikation i.S.d. § 142 Abs. 1 Nr. 3 GVG i.V.m. § 122 Abs. 1 DRiG aufweisen.
Rz. 29.1
Ob die Strafsachenstellenmitarbeiter allerdings genügend eigene Erfahrungen mit der richterlichen Überzeugungsbildung haben, mag zu Recht bezweifelt werden. Vor diesem Hintergrund sind auch die – wenig einheitlichen – Strafrahmenkataloge der Oberfinanzdirektionen kritisch zu sehen (s. § 370 Rz. 1075 ff. sowie nachstehend Rz. 59 f.), auch was die fehlende Zuständigkeit der OFDs im Steuerstrafverfahren angeht (s. § 386 Rz. 36). Die StA soll sich im Interesse einer einheitlichen Strafzumessungspraxis über die den Strafbefehlsanträgen des FA/HZA/der FKS zugrunde liegenden allgemeinen Erwägungen unterrichten (vgl. Nr. 267 Abs. 2 RiStBV, s. auch § 386 Rz. 26).
Rz. 30
Dagegen hat die Steuer- bzw. Zollfahndung kein selbständiges Recht zur Stellung eines Strafbefehlsantrags, da ihr eine entsprechende Abschlusskompetenz fehlt (s. § 385 Rz. 99; § 404 Rz. 95 f.).
Rz. 31
Kommt ein Abschluss des Ermittlungsverfahrens durch Antrag auf Erlass eines Strafbefehls – etwa wegen der Schwere der Tat (s. Rz. 57) – nicht in Betracht, legt die FinB die Akten gem. § 400 Halbs. 2 AO der StA zum Zweck weiterer Ermittlungen oder zur Anklageerhebung vor (s. Rz. 129 ff.). Wird das Steuerstrafverfahren von der StA dann (weiter)geführt, hat die FinB ihre Abschlusskompetenz und ihr Recht zur Stellung eines Strafbefehlsantrags verloren. Sie ist dann auf die polizeilichen Befugnisse gem. § 402 AO und die Beteiligungsrechte gem. § 403 AO beschränkt.
Rz. 32
In jedem Fall hat die FinB zuvor gem. § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO i.V.m. § 169a StPO den Abschluss ihrer Ermittlungen in der Steuerstrafakte zu vermerken (vgl. Nr. 175 Abs. 1 RiStBV, Nr. 79 Abs. 2 Satz 3 AStBV (St) 2020; s. AStBV Rz. 79). Vorher darf sie weder einen Strafbefehlsantrag stellen noch die Akten der StA vorlegen. Nach Fertigung des Abschlussvermerks, der zwar weder dem Beschuldigten noch seinem Verteidiger von Amts wegen mitgeteilt zu werden braucht, ist dem Verteidiger des Beschuldigten jedoch unbeschränkte Akteneinsicht zu gewähren (§ 147 Abs. 2 und Abs. 6 StPO, s. § 385 Rz. 157 f.; § 396 Rz. 391 ff.). Eine Ausnahme kann nur für den Fall gelten, dass die StA nach Erhalt der durch die FinB abgeschlossenen Ermittlungsakten die Ermittlungen wieder aufnimmt. Der Abschluss dieser weiteren Ermittlungen muss dann ebenfalls in einem Vermerk gem. § 169a StPO festgehalten werden, so dass spätestens zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit unbeschränkter Akteneinsicht eröffnet wird.