Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
I. Sachliche und örtliche Zuständigkeit
Rz. 136
Sachlich zuständig für den Erlass des Strafbefehls ist stets das AG (§ 407 Abs. 1 StPO).
Als Spruchkörper ist im Strafbefehlsverfahren nur der Strafrichter zuständig, der in allen Fällen entscheidet, in denen Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren "zu erwarten ist" (§ 25 Nr. 2 GVG). Da durch Strafbefehl nur eine Freiheitsstrafe von maximal einem Jahr verhängt werden kann (§ 407 Abs. 2 Satz 2 StPO), wird der mögliche Strafrahmen durch dessen Zuständigkeitsbereich komplett abgedeckt. Eine Zuständigkeit des Schöffengerichts – etwa wegen besonderer Bedeutung des Falls – kommt daher nicht in Betracht, es sei denn, ein zunächst beim Schöffengericht eröffnetes Verfahren soll nach § 408a StPO beendet werden. Von einer ausschließlichen Zuständigkeit des Strafrichters kann damit nicht gesprochen werden. Der Strafbefehl ist somit keineswegs auf die Behandlung von Bagatell- oder Kleinstkriminalität beschränkt.
Bei Heranwachsenden ist der Jugendrichter zuständig (vgl. §§ 39, 108 JGG).
Rz. 137
Im Regelfall bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit im Strafbefehlsverfahren nach den allgemeinen Vorschriften der StPO. Danach kommen vornehmlich in Frage die Gerichtsstände des Tatorts (§ 7 StPO), des Wohnsitzes (§ 8 StPO), des Ergreifungsortes (§ 9 StPO) sowie des Zusammenhangs (§ 13 StPO).
Bei mehreren örtlich zuständigen Gerichten hat die StA und damit auch die BuStra nach der Rspr. ein praktisch nicht überprüfbares Wahlrecht (zu dieser "beweglichen" örtlichen Zuständigkeit s. auch § 391 Rz. 32).
Treffen mehrere der in §§ 7–9 StPO genannten Gerichtsstände zusammen, so ist gem. § 12 StPO das Gericht örtlich zuständig, das die Untersuchung zuerst eröffnet hat. Zuständig ist i.d.R. das Gericht, in dessen Bezirk diejenige FinB ihren Sitz hat, die als zuständiges FA die jeweils hinterzogene Steuer zu verwalten hat.
Für das Steuerstrafverfahren ergibt sich eine Besonderheit, da § 391 AO eine Konzentration der Steuerstrafsachen bei bestimmten Gerichten vorschreibt. Demgemäß ist nach § 391 Abs. 1 AO in den Fällen, in denen das AG sachlich zuständig ist – so in dem hier interessierenden Strafbefehlsverfahren, da mit dem Strafbefehlsantrag das Erkenntnisverfahren beginnt – dasjenige AG örtlich zuständig, in dessen Bezirk das LG seinen Sitz hat (§ 391 Abs. 1 Satz 1 AO).
II. Entscheidungsmöglichkeiten des AG
1. Allgemeines
Rz. 138
Wenn die Ermittlungsbehörde (FinB oder StA) den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls bei dem zuständigen AG gestellt hat, muss dieses über den Antrag entscheiden.
Folgende Entscheidungen sind möglich:
Zum Ganzen s. die tabellarische Übersicht in Rz. 25.
Rz. 139
Vor einer Entscheidung kann das Gericht indes auch eigene zusätzliche Ermittlungen veranlassen, wenn es den Tatverdacht nicht für hinreichend begründet, aber für nachweisbar erachtet. Es können folgende formlose Anregungen sinnvoll sein:
- Anregung zu weiteren Ermittlungen,
- Anregung zur Änderung des Strafmaßes oder der rechtlichen Beurteilung,
- Anregung zur Abgabe an die StA bzw. Übernahme (vgl. § 386 Abs. 4 Satz 2 AO).
Beabsichtigt das Gericht, dem Antrag der Ermittlungsbehörde auf Erlass eines Strafbefehls mit der Rechtsfolge des § 408 Abs. 2 Satz 2 StPO (Freiheitsstrafe) stattzugeben und hat der Angeschuldigte noch keinen Verteidiger, so muss ihm das Gericht einen Verteidiger bestellen (§ 408b StPO).