Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
I. Allgemeines
Rz. 226
Zum Ganzen s. die tabellarische Übersicht in Rz. 25. Gemäß § 408a StPO besteht die Möglichkeit des nachträglichen Übergangs eines aufgrund einer "normalen" Anklage vor dem AG eröffneten Hauptverfahrens in das Strafbefehlsverfahren.
Der Strafbefehlsantrag nach § 408a StPO ist kein Anwendungsfall des § 400 AO, da die Verfahrensherrschaft aufseiten der Anklagebehörde im Fall des eröffneten Hauptverfahrens ausschließlich bei der StA liegt (vgl. § 400 Halbs. 2 AO). Nachfolgend werden daher nur die Grundzüge der Vorschrift wiedergegeben.
Rz. 227
Die praktische Bedeutung dieser Vorschrift hängt wesentlich davon ab, dass das zuständige Gericht nicht bereits eine Einstellung nach § 153a StPO vorzieht und der Angeklagte keinen Einspruch gegen den in der Hauptverhandlung beantragten Strafbefehl einlegt. Andernfalls wird der erstrebte verfahrensökonomische Zweck nicht erreicht. Eine Verfahrenserledigung nach § 408a StPO erscheint demnach nur dann sinnvoll, wenn zuvor zwischen allen Verfahrensbeteiligten Einvernehmen hinsichtlich Erlass und Akzeptanz des Strafbefehls besteht.
Kann der Anwalt somit das Gericht nach der Anklageerhebung von einem Übergang ins Strafbefehlsverfahren gem. § 408a StPO überzeugen, steht ihm eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG analog zu.
II. Voraussetzungen
Rz. 228
Ein Strafbefehlsantrag nach § 408a StPO ist nur im amtsgerichtlichen Verfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 StPO) möglich, nicht dagegen in Fällen einer im Rahmen eines bereits vorangegangenen Strafbefehlsverfahrens nach § 408 Abs. 3 Satz 2 StPO oder nach Einspruchseinlegung gem. § 411 Abs. 1 Satz 2 StPO anberaumten Hauptverhandlung. Die StA kann einen Strafbefehlsantrag nach § 408a StPO sowohl vor als auch in einer Hauptverhandlung oder nach einer ausgesetzten Hauptverhandlung stellen.
Rz. 229
Gemäß § 408a Abs. 1 Satz 1 StPO müssen zunächst die Voraussetzungen des § 407 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO vorliegen (s. Rz. 33, 41 ff.). Was die allgemeine Eignung der Sache zur Erledigung im Strafbefehlsverfahren anbelangt, muss sich diese entweder aus einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage ergeben oder auf einer ursprünglich rechtsirrig verneinten und nunmehr korrigierten Beurteilung beruhen, da die StA andernfalls bereits bei Abschluss der Ermittlungen zur Stellung eines Strafbefehlsantrags verpflichtet gewesen wäre.
Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage kann sich etwa ergeben aus nachträglichen Erkenntnissen aufgrund zwischenzeitlich gerichtlich angeordneter Ermittlungen oder aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme einer bereits teilweise durchgeführten Hauptverhandlung.
Beispiel
Die zunächst angenommene Höhe der hinterzogenen Steuer erweist sich im Nachhinein als viel geringer.
Rz. 230
Des Weiteren setzt der Strafbefehlsantrag des § 408a Abs. 1 Satz 1 StPO einen der Durchführung einer Hauptverhandlung entgegenstehenden wichtigen Grund voraus, so dass eine Erledigung nach § 408a StPO nicht aus Gründen bloßer Arbeitsersparnis oder Verfahrensabkürzung oder wegen eines sonstigen beliebigen Umstands, der der Durchführung einer Hauptverhandlung entgegenstehen könnte, möglich ist.
Zunächst wird in § 408a Abs. 1 Satz 1 StPO das Ausbleiben oder die Abwesenheit des Angeklagten genannt. Als weiteren wichtigen Grund zog der Gesetzgeber das Ausbleiben eines wichtigen Zeugen in Erwägung. Der Übergang in das Strafbefehlsverfahren kommt nach den gesetzgeberischen Vorstellungen (s. auch Nr. 175a RiStBV) vor allem in Betracht, wenn
- der Angeklagte mit bekanntem Aufenthalt im Ausland wohnt, seine Einlieferung zur Durchführung der Hauptverhandlung aber nicht möglich oder nicht angemessen wäre,
- der Angeklagte der Hauptverhandlung entschuldigt fernbleibt, weil er infolge einer längeren Krankheit an ihr nicht teilnehmen kann, obwohl seine Verhandlungsfähigkeit im Übrigen nicht beeinträchtigt ist,
- der Angeklagte der Hauptverhandlung fernbleibt und nicht nach § 232 StPO ohne ihn verhandelt werden kann oder
- der unmittelbaren Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung erhebliche Hinderungsgründe entgegenstehen und die Voraussetzungen des § 251 Abs. 1 Nr. 1, 2 StPO nicht vorliegen, der Sachverhalt aber nach dem Akteninhalt genügend aufgeklärt erscheint.
III. Antrag der Staatsanwaltschaft
Rz. 231
Der Antrag der StA auf Erlass ...