Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 159
Der Einspruch muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Strafbefehls bei dem AG, das den Strafbefehl erlassen hat, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden (§ 410 Abs. 1 Satz 1 StPO). Befindet sich der Angeklagte z.B. in U-Haft, so kann er den Einspruch auch bei dem zuständigen AG der Haftanstalt einlegen (§ 410 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 299 StPO).
Zur Zustellung des Strafbefehls s. Rz. 144. Lässt sich nicht sicher feststellen, wann der Strafbefehl zugestellt worden ist, muss der Einspruch zugunsten des Angeklagten als rechtzeitig behandelt werden.
Rz. 160
Gemäß § 44 StPO ist bei entschuldigter Versäumung der Einspruchsfrist unter bestimmten Voraussetzungen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich. Das BVerfG hat in diesem Zusammenhang mehrfach ausgesprochen, dass "das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die unter dem Blickwinkel der Rechtsschutzgarantien des Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geforderte Ergänzung ihres nur ‚summarischen‘ Charakters und jener Risiken, die für den Betroffenen in der Zulässigkeit der Ersatzzustellung liegen", sei. Entgegen einer häufig zu beobachtenden Praxis der Instanzgerichte, die ein Verschulden des Betroffenen auch dann annehmen, wenn dieser in Urlaub gefahren ist, ohne für die Nachsendung der Post zu sorgen, ist es – von Ausnahmen (z.B. mehrmonatiger Auslandsaufenthalt) abgesehen – grds. nicht als verschuldete Unkenntnis von der Zustellung anzusehen, wenn der Angeklagte für diese Zeit keine besonderen Vorkehrungen getroffen hat, damit ihn mögliche Zustellungen erreichen, selbst wenn er von dem gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren Kenntnis hat. Dies kann natürlich dann nicht gelten, wenn der Beschuldigte etwa die umgehende Abholung eines bekanntlich hinterlegten Strafbefehls vernachlässigt oder sich der erwarteten Zustellung vorsätzlich entzogen hat.
Rz. 161
Auch vor Zustellung des Strafbefehls kann bereits der Einspruch eingelegt werden, sofern der Strafbefehl schon erlassen ist.
Rz. 162
Der Einspruch ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des AG zu erheben. Ein schriftlich eingelegter Einspruch ist grds. zu unterschreiben.
Der Schriftform genügt auch die fernschriftliche und elektronische Einlegung (zu den Neuerungen durch Gesetz vom 5.7.2017 s. § 385 Rz. 782 ff.). So kann der Einspruch per Telefax übermittelt werden oder per E-Mail mit elektronischer Signatur oder einem sonstigen sicheren Übermittlungsweg nach § 32a Abs. 3 und 4 StPO 2 bei dem Richter, der den Strafbefehl erlassen hat. Die telefonische Abgabe der Erklärung gegenüber der Geschäftsstelle genügt dagegen nicht der Schriftform.
Rz. 163
Eine bloß falsche Bezeichnung des Einspruchs ist gem. § 410 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 300 StPO unschädlich.
Beispiel
Der A schreibt, er lege "Rechtsmittel" oder "Widerspruch" gegen den gegen ihn erlassenen Strafbefehl ein.
Der B übersendet fristgerecht ein Schreiben, in dem er unzweideutig zu erkennen gibt, dass er den Strafbefehl anfechten will, weil er den zugrunde gelegten Sachverhalt für unzutreffend hält oder weil er die Rechtslage anders beurteilt.
Sofern kein Zweifel daran besteht, dass der Angeklagte den Strafbefehl anfechten will, ist sein Vorbringen als Einspruch zu behandeln, unabhängig davon, ob er den Rechtsbehelf unrichtig oder gar nicht bezeichnet hat.
Rz. 164
Eine Begründung des Einspruchs ist nicht erforderlich. Gleichwohl wird eine Begründung nicht selten zweckmäßig sein. Dies gilt insb., wenn der Strafbefehl aus Rechtsgründen beanstandet wird. Hier hat der Angeklagte bzw. sein Verteidiger eine weitaus bessere Möglichkeit, seine Rechtsauffassung umfassend darzulegen als in einer zumeist unter Zeitdruck stehenden Hauptverhandlung. Soweit der dem Strafbefehl zugrunde gelegte tatsächliche Geschehensablauf beanstandet wird, muss dagegen sorgfältig abgewogen werden, ob eine eigene Sachverhaltsschilderung bereits in diesem Verfahrensstadium oder erst mit entsprechenden Beweisanträgen in der Hauptverhandlung vorgetragen werden soll.